Ferienspaß im Museum Die Überraschung steht unscheinbar am Straßenrand

Karin Schlütter

Viele latschen einfach drüber. Doch finden sich am Straßenrand oft Schätze der Natur: Pflanzen, die früher für vieles genutzt wurden, nicht nur als Heilkräuter.

 
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Am Dienstag heißt es in der Bertholdsburg: „Pflanzen überall – Stadtspaziergang“. Dazu hat sich eine Tagesgruppe aus dem Kinder- und Jugenddorf Regenbogen in Zella-Mehlis angemeldet. Im Schlosshof wird sie von Museumspädagogin Karin Labrens und dem Präparator des Naturhistorischen Museums, Georg Sommer, empfangen. Sie nehmen die jungen Gäste mit auf eine ganz besonderen Entdeckungstour durch Schleusingen. Die Sonne lacht vom Himmel, doch am Vormittag ist die Hitze noch erträglich. Dennoch: Bonita Wolf verteilt Sonnencreme an ihre Tagesgruppe, Mädchen und Jungen zwischen acht und zwölf Jahren. Sicher ist sicher.

Georg Sommer ist an diesem Tag der Mann der Stunde. Er bearbeitet nicht nur Fossilienfunde und formt Dinomodelle nach. Wer mit ihm unterwegs ist, braucht keine Pflanzenerkennungs-App. Er weiß einfach alles über Bäume und Sträucher und Pflanzen – die Natur eben. Doch nicht die Pflanzen, die in den Gärten wachsen, stehen heute im Mittelpunkt. Es sind die am Wegesrand, die unscheinbaren, denen kaum einer Beachtung schenkt oder über die man einfach drüber latscht. Schade, dass sich keine Schleusinger Kinder für diesen besonderen Stadtspaziergang angemeldet hatten. Sie wären bestimmt genau so erstaunt gewesen wie der zehnjährige Ian, der sich ganz besonders für die Pflanzen und ihre Geschichte interessierte und am Ende ein richtiger Fan von Georg Sommer ist. Schließlich hatte der ihm einen Wunsch erfüllt und ihm mühsam eine Blüte der Wilden Karde abgeknipst, die Ian so gerne mit nach Hause nehmen wollte.

Mit der Wilde Karde, die mit ihren markanten Blüten der Distel ähnelt, will der Junge zu Hause seine Katze kitzeln. Die stachlige Blüte wächst in der Gartenstraße, dort, wo am Straßenrand auch Greiskraut blüht. Mit seinen gelben Köpfchen erinnert es an Kamille. Und ein paar Meter weiter wächst die Färberpflanze. „Aus ihren Blüten hat man im Mittelalter Farbstoffe gewonnen, mit denen Stoffe eingefärbt wurden“, erzählt Georg Sommer und das interessiert auch Letizia (10) und Josefine (8) besonders. „Mit dieser Pflanze – leider sind die Blüten schon verschwunden und nur noch die rotbraunen Samenschoten da – wurde das Indigoblau gewonnen. Aber man braucht sehr, sehr viel von den Blüten, um genügend Farbstoff herzustellen.“

Auf der kleinen Grünanlage in der Zeile erklärt er den Kindern, dass dort mal ein Haus stand, das nach einem Brand abgerissen wurde. „Die Natur holt sich das, was Menschen verlassen haben, wieder zurück“, erklärt der Wanderleiter. Heute wachsen dort Schafgarbe und Wegerich mit spitzen und breiten Blättern. Die Schafgarbe ist ein wertvolles Heilkraut und hilft gegen allerlei Beschwerden. Die weißen Blüten trocknen schnell und können zu Tee verarbeitet werden. Ebenso ist der Wegerich sehr wertvoll, enthält schleimlösende Wirkstoffe und ist gut gegen Husten. Und den Saft der Blätter auf einen frischen Insektenstich gedrückt – das lindert. Aber durch die Trockenheit hat auch der robuste Wegerich nur wenig Saft. Er wächst fast überall auf Grünflächen und wird vielleicht deshalb meist unterschätzt. Viele laufen einfach drüber. „Aber das hält der Wegerich aus“, sagt Georg, „der lässt sich nicht zertreten.“ Die Kinder stehen jetzt auf der Brücke und schauen hinunter, wo die Nahe in der Sonne glitzert. Viel Wasser hat sie gerade nicht. Eine blaue Fliege entdecken die Kinder, die sich dann als Libelle entpuppt. Was dort am Ufer so pink rosa blüht, wollen die Kinder wissen. „Das ist das drüsige Springkraut“, erfahren sie von Georg Sommer. „ Die Pflanze wurde aus dem Himalaja eingeschleppt und hat sich soweit verbreitet, dass sie bekämpft werden musste, um heimische Pflanzen nicht zu erdrücken. Inzwischen ist sie aber weniger häufig anzutreffen.“ Im Schatten des großen Ahornbaums vor dem Kindergarten „Schleuseknirpse“ bleibt die Gruppe stehen. Der Baum trägt in diesem Jahr unglaublich viele Früchte – Spaltfrüchte mit Flügeln, die wie kleine Propeller aussehen. Und Xenia (12) hat sich auch gleich einen auf die Nase gesetzt, wie das schon Generationen von Kindern vor ihr getan haben. Jetzt hat Ian eine Pusteblume entdeckt, aber nicht die vom Löwenzahn, sondern eine Boxbart-Pusteblume. Doch so leicht lassen sich die kleinen silbrigen Teilchen hier nicht weg pusten.

Ach und was ist das? Ein Klettenstrauch. „Durch die kleinen gebogenen Härchen der Früchte“, erklärt Georg. „bleiben die Kletten an der Kleidung hängen.“ Na, dass es da eine kleine Klettenschlacht gibt, an der auch Kilian seinen Spaß hat, ist wohl klar. Und Karin Labrens fragt, was denn dran ist an der Sache, dass die Klette der Auslöser für den Klettverschluss war. Das kann zwar Georg Sommer nicht bestätigen, aber im weltweiten Datennetz gibt es dazu mehrere Hinweise, dass es der Schweizer Ingenieur Georges de Mestral gewesen sein soll, der als passionierter Jäger nach einem Ausflug am Hosenbein und an seinem Hund mehrere Kletten gefunden hat, diese unterm Mikroskop untersuchte und feststellte, was die igelartigen Kugeln so haften lässt. Diese Beobachtung soll ihn zur Entwicklung des Verschlusssystems geführt haben, dem heute so beliebten Klettverschluss.

Und noch ein ganz anschauliches Beispiel dafür, dass sich die Natur alles zurückholt, was ihr die Menschen wegnehmen, sehen die Kinder an den Bahnschienen neben dem Langen Teich. Zwischen den Schienen blüht und grünt es wieder. Und ganz in der Nähe beobachten die Kinder, wie sich ein Dickkopffalter auf einer schönen lila Blüte – Skabiose heißt sie oder auch Krätzkraut – Nektar sucht. Ein Stück weiter erklärt Georg Sommer die Pimpernelle, ein unterschätztes und vielseitig einsetzbares Heilkraut. Und schließlich macht er die Kinder noch auf eine Pflanze aufmerksam, die sich durch Pflasterritzen drängt und der menschliche Tritte überhaupt nichts ausmachen: den Vogelknöterich.

Inzwischen sind die Spaziergänger zurück im Schloss gelaufen, vorbei an lila Glockenblumen, die sich hier und da durch Gehwegsteine ans Licht drängen. In Georg Sommers Präparationswerkstatt können sie noch einen Blick in alte Kräuterbücher werfen. Aber eigentlich haben sie sich müde gelaufen, Xenia hat immer noch ihren Nasenhut und Ian trägt stolz seine Distel. Ja, ist doch einiges hängen geblieben von diesem Stadtspaziergang in Schleusingen.

Das Museum lädt ein

Nächste Veranstaltungen im Naturhistorischen Museum:

– Dienstag, 25. Juli, 10.30 Uhr: „Schmuck und Deko mal anders – mit Edelsteinchen“– Donnerstag, 27. Juli, 10.30 Uhr: „Schmuck und Deko mal anders – aus Papier“– Am 5. und 6. August heißt es „Auf zum Mittelalterspektakel“ - Historisches Museumsfest im Burghof der Bertholdsburg

Termine und Infos zu weiteren Ferienveranstaltungen des Museumsnetzwerks Süd gibt es im Internet. www.museumsnetzwerksued.de

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