Erfurt Studie: Geringe OP-Praxis gefährdet Leben

Geringe OP-Praxis gefährdet Leben Quelle: Unbekannt

Seit Jahren fordert die Barmer Mindestmengen für Operationen. Eine Studie belegt nun, dass das Risiko, nach einer OP zu sterben, in Kliniken mit geringen Operationsfallzahlen höher ist. Ein Ausweg könnten Erfahrungen aus der Corona-Pandemie sein.

 
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Erfurt - Die Diagnose Krebs ist für alle Betroffenen zunächst ein Schock. Um so wichtiger ist es, dass der Krebs nach der Diagnose optimal behandelt wird. Doch genau das geschieht nach Ansicht der Krankenkasse Barmer in Thüringen noch zu selten. In ihrem jüngsten Krankenhaus-Report hat die Kasse festgestellt, das die Sterblichkeit von Patienten nach bestimmten Krebs-Operationen höher ist, wenn sie in Krankenhäusern behandelt werden, die diese besonderen Operationen nur selten ausführen. Barmer-Landeschefin Birgit Dziuk fordert daher im Gespräch mit dieser Zeitung "ein Ende der Gelegenheitschirurgie". Wie aus dem aktuellen Krankenhaus-Report hervorgeht, liefern Kliniken mit hohen Fallzahlen mehr Qualität und Sicherheit für an Krebs erkrankte Patienten. So füllt die Zahl der Komplikationsraten und die Zahl der Todesfälle nach Operationen in Kliniken, die über viel Erfahrung bei den jeweiligen Eingriffen verfügen, deutlich geringer. "Bei Operationen muss jedem klar sein: Umso mehr Erfahrung das Krankenhaus damit hat, desto mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten", sagt Dziuk.

Sie fordert eine konsequente Ausweitung des Mindestmengen-Systems, das bereits für bestimmte Behandlungen existiert. Zudem müssten Kliniken für bestimmte Behandlungsformen von einer einheitlichen Stelle zertifiziert werden.

Die Barmer hat für ihren Report die Daten zu Operationen von Darmkrebs und Pankreas-Krebs in ganz Deutschland ausgewertet. Ihr Ergebnis: Ist die Fallzahl beispielsweise bei örtlichen Entfernungen von Darmkrebs-Tumoren doppelt so hoch wie der Durchschnitt, sinkt die 30-Tage-Sterblichkeit im Mittel von 4,4 auf 3,6 Prozent. Zudem verringert sich die Rate an spezifischen Komplikationen von durchschnittlich 16,6 Prozent um zwei Prozentpunkte auf 14,4.

Noch deutlicher ist der Unterschied bei komplexen chirurgischen Eingriffen im Fall von Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreas). Ist die Fallzahl doppelt so hoch, sinkt die durchschnittliche Rate der 30-Tage-Sterblichkeit von 10,3 auf 8,4 Prozent. Da diese Krebsart deutlich seltener diagnostiziert wird, sind die Fallzahlen generell gering. So operieren die Kliniken mit den geringsten Fallzahlen im Durchschnitt gerade einmal fünf Pankreas-Krebs-Patienten im Jahr. In den Kliniken mit den höchsten Fallzahlen sind es im Durchschnitt 42 Operationen im Jahr.

Der Anteil an Patienten mit allgemeinen Komplikationen verringert sich beim Pankreas-Krebs bei einer Verdopplung der Fallzahl von 52,2 Prozent auf 49,6 Prozent. "In unerfahrenen Kliniken ist die Gefahr, binnen 30 Tagen nach einer Darmkrebs- oder Bauchspeicheldrüsen-Operation zu sterben, deutlich höher", warnt Dziuk.

Dabei habe die Erhöhung der Fallzahlen nichts mit operieren am Fließband zu tun, so Utz Settmacher, Direktor Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Uniklinikum Jena. Mit den Fallzahlen wachse die Routine des gesamten Teams. Zudem könnten spezialisierte Häuser auch an der Vor- und Nachsorge nach schwierigen Operationen mehr leisten, weil einfach ein größeres Team an Experten vorhanden sei.

Aus Dziuks Sicht müsse Thüringen in seiner Krankenhaus-Planung auf die Ergebnisse des Krankenhaus-Reports reagieren. Vorbild könnte aus ihrer Sicht die Corona-Pandemie haben. "Es geht uns nicht darum, Krankenhäuser zu schließen, denn wir brauchen im ländlichen Thüringen jeden einzelnen Standort", so Dziuk. Jedoch sollten die Kliniken klare Aufgaben zugewiesen bekommen. In der Pandemie sei dies gelungen. Hier seien die Kliniken in drei Stufen eingeteilt worden und es sei klar geregelt, dass Covid-Patienten mit besonders schweren Verläufen an bestimmte Häuser verteilt würden.

So könne es auch bei anderen Krankheitsbildern gehandhabt werden: Die Diagnose könne wohnortnah geschehen. Für de Operation könnten die Patienten dann auf die spezialisierten Häuser verteilt werden. Die Nachsorge könne dann wieder nah am Wohnort geschehen. Dieses Modell müsse aber auch in der Vergütung für die Kliniken entsprechend ausgestaltet werden, so Dziuk. Seite 3

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