Erfurt Neuverschuldung könnte verfassungswidrig sein

Christoph Gröpl. Foto: Archiv

Die in Thüringen von der rot-rot-grünen Landesregierung geplante Neuverschuldung könnte verfassungswidrig sein. Das legt ein Gutachten des Steuerzahlerbundes nahe.

 
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Erfurt - Die Landesregierung plant eine Neuverschuldung von 1,8 Milliarden Euro. Hintergrund ist die Corona-Krise, die zu Mehrausgaben wegen der Krisenbewältigung und zu Steuer-Mindereinnahmen führt. Entgegen des Beschlusses des Landtags, das Corona-Hilfspaket mit rund 700 Millionen Euro aus der Rücklage der Landeskasse zu finanzieren, will die Landesregierung nun stattdessen per Nachtragshaushalt neue Kredite aufnehmen und damit sogar die Rücklage füllen.

Ein Gutachten legt nahe, dass das verfassungswidrig sein könnte. Das Gutachten stammt vom Staatsrechtler Christoph Gröpl, der an der Universität des Saarlandes lehrt. Er erstellte es im Auftrag des Steuerzahlerbundes zum im Juli vom Bundestag beschlossenen zweiten Nachtragshaushalt, der wegen Corona eine weitere Neuverschuldung vorsieht. Bund und Länder dürfen wegen der seit 2020 geltenden Schuldenbremse keine neuen Schulden mehr machen. Ausnahmen gelten für Naturkatastrophen und andere Notlagen.

So heißt es in dem Gröpl-Gutachten: "Nicht mithilfe der Notlagen-Verschuldung aufgebaut werden dürfen Rücklagen." Anderenfalls verletze der Gesetzgeber das ihn verfassungsrechtlich bindende Wirtschaftlichkeitsgebot, den Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit sowie das Konzept der Schuldenbremse. Der Gutachter hält es zudem für verfassungswidrig, dass der Bund nicht Rücklagen zur Finanzierung der Corona-Ausgaben nutzt. Demnach verfügt die Bundesregierung über eine "Asyl-Rücklage" von 48,2 Milliarden Euro.

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte im Juli zur geplanten Kreditfinanzierung des Corona-Hilfspakets gesagt: "So ergeben sich zusätzliche Spielräume für strukturfördernde Investitionen in den kommenden und laufenden Haushalten. Die aufgestockte Rücklage des Landes kann genutzt werden, um die Haushalte 2021 und 2022 annähernd auf dem bisherigen Niveau zu finanzieren." Rechnungshof-Präsident Sebastian Dette hat die Landesregierung bereits aufgefordert, vor der Aufnahme neuer Kredite die Rücklage zur Finanzierung der Corona-Ausgaben zu nutzen.

Nicht nur die Aufstockung der Rücklage durch zusätzliche Kredite birgt verfassungsrechtliche Risiken. Auch Investitionen, die durch neue Schulden finanziert werden, könnten die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse unterlaufen. Nach Ansicht von Gutachter Gröpl ist es verfassungswidrig, wenn der Bund mittels neuer Milliarden-Schulden einen "Energie- und Klimafonds" oder gar Rüstungsprojekte finanziert. Das habe mit der Corona-Notlage nichts zu tun. In Thüringen plant die rot-rot-grüne Landesregierung ein durch Schulden finanziertes Konjunkturpaket von 300 Millionen Euro.

Auf Nachfrage sagte Finanzministerin Heike Taubert (SPD) zur geplanten Neuverschuldung: "Wir sind davon überzeugt, uns sowohl auf dem Boden des Grundgesetzes als auch im verfassungsrechtlichen Rahmen des Freistaates zu bewegen." Der Geschäftsführer des Thüringer Steuerzahlerbundes, Wolfgang Oehring, ist hingegen der Ansicht, dass das Gröpl-Gutachten auf Thüringen übertragbar sei. "Der geplante Nachtragshaushalt könnte verfassungswidrig sein", sagte er unserer Zeitung. Auch CDU-Fraktionschef Mario Voigt warnte: "Eine Aushebelung der Schuldenbremse durch Umwegfinanzierungen über die Rücklage ist nicht akzeptabel." Komme von der Landesregierung eine solche Vorlage, werde eine verfassungsrechtliche Klärung unumgänglich. "Ich erwarte schwierige Haushaltsverhandlungen", sagte Voigt. ek

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