Erfurt Mit mehr Medizinstudenten gegen den Ärztemangel

Eike Kellermann

Die Zahl der Medizin- Studienplätze in Thüringen steigt nächstes Jahr deutlich. Damit soll, gerade auf dem Land, dem Ärztemangel vorgebeugt werden.

 
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Erfurt - Rund 260 junge Leute beginnen im Wintersemester ein Medizinstudium an der Universität Jena, thüringenweit die einzige Ausbildungsstätte für Ärzte. Die Zahl der Studienanfänger ist seit Jahren konstant. Nun hat der Landtag auf Drängen von Ärzteverbänden und Kliniken beschlossen, die Zahl der Medizinstudenten zu erhöhen. Ab 2021 sollen zehn Prozent mehr ins erste Semester starten. Das entspricht 26 jungen Leuten.

Das ist eine durchaus bemerkenswerte Steigerung, um gegen den vielbeschworenen Ärztemangel anzugehen. Laut Ärzteverbänden ist der Bedarf hierzulande durch die ältere und damit krankheitsanfälligere Bevölkerung größer. Lange hatte die rot-rot-grüne Koalition um die Steigerung der Studienplätze gerungen. Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) war dafür, Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sah hingegen keine Garantie, dass Medizinstudenten nach ihrem Abschluss in Thüringen bleiben. Schließlich können sie frei ihre Arbeitsstelle wählen.

Vorigen Freitag nun wurde die Erhöhung der Studienplätze im Landtag beschlossen. Den Antrag brachten Linke, SPD und Grüne gemeinsam mit CDU und FDP ein - so kann in Zeiten einer Minderheitsregierung Politik funktionieren. Man gehe einen "entscheidenden Schritt zu einer dauerhaften Sicherung der medizinischen Versorgung in Thüringen", sagte SPD-Politiker Lutz Liebscher. Das sei auch ein Beitrag zur Stärkung des Hochschulstandortes Jena.

Das Interesse an einem Medizinstudium in Jena ist deutlich zurückgegangen. Nach Angaben der Uni bewarben sich im Jahr 2012 insgesamt 8600 Abiturienten aus ganz Deutschland für ein Medizinstudium in Jena, darunter 555 aus Thüringen. 2019 waren es nur noch 5953, darunter 489 aus Thüringen. Auch der Anteil der Landeskinder, die einen der 260 Medizin-Studienplätze bekamen, sank stetig: Von 103 im Jahr 2012 auf 67 im Jahr 2019, das entspricht einem Anteil von nur noch 26 Prozent.

Dabei haben die Ärzteverbände die Hoffnung, dass Thüringer, die in Thüringen Medizin studieren, nach Abschluss auch in Thüringen als Arzt arbeiten. Doch auch generell ist das Interesse an Skalpell und Stethoskop rückläufig. Laut Stiftung für Hochschulzulassung, die für die Vergabe der Medizin-Studienplätze zuständig ist, bewarben sich 2016 insgesamt 828 Thüringer Abiturienten für ein Humanmedizin-Studium an einer bundesdeutschen Hochschule; 2019 waren es 748. Was die Jenaer Absolventen betrifft, bleibt laut einer Erhebung nur die Hälfte als Arzt in Thüringen. "Wir bilden für andere Bundesländer aus", klagte jüngst Ärztekammer-Präsidentin Ellen Lundershausen.

Laut SPD-Politiker Liebscher werden 3,9 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr gebraucht, um das Plus bei den Medizin-Studienplätzen zu finanzieren. Minister Tiefensee erwartete sogar mindestens 5,2 Millionen Euro. Seinen Widerstand gegen mehr Studienplätze begründete er auch damit, dass Thüringen schon überdurchschnittlich viele Mediziner ausbilde. Hier komme ein Studienplatz auf 8100 Einwohner. In Bayern liege das Verhältnis bei 1 zu 9100 und in Niedersachsen bei 1 zu 25.800. Als sinnvoller erachtete er Stipendien, um in Thüringen ausgebildete Ärzte zu halten.

Kritik kam jetzt auch vom Koalitionspartner. "Wir als Grüne glauben nicht, dass die Qualität der medizinischen Versorgung durch die Erhöhung der Medizinstudienplätze gelöst wird", sagte der Landtagsabgeordnete Olaf Müller. "Auch die Rich-Kids-Variante, eine Vorabquote, die Studierende direkt nach dem Abitur in eine mehr als 12-jährige Abhängigkeit zwängt, ist keine adäquate Lösung des Problems." Stattdessen brauche man familienfreundliche Arbeitsmodelle, um Medizin-Absolventen zu binden.

Dem Beschluss des Landtags zufolge soll es ab 2021 bei der Vergabe der Medizin-Studienplätze in Jena eine "Haus- und Facharztquote" von sechs Prozent geben. Diese könnte auf bis zu 20 Prozent erhöht werden. Ziel sei es, "dass die ärztliche Versorgung in von Unterversorgung betroffenen und bedrohten Gebieten gewährleistet wird". Außerdem soll ein "Strukturfonds" eingerichtet werden, um Studenten Mehrkosten zu erstatten, wenn sie ihre Ausbildung in ländlichen Regionen absolvieren.

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