Energiepreise Ruf nach Entlastung von allen Seiten

Die Glasindustrie im Thüringer Wald braucht viel Energie, doch noch kann sie nicht so einfach auf alternative Energieträger umsteigen. Die IHK Südthüringen fordert daher Entlastungen für die Wirtschaft. Foto: dpa/Achim Scheidemann

Im Oktober haben die Preise für Energie und Kraftstoffe nochmals einen kräftigen Sprung nach oben gemacht. Was auch die Debatte über Gegenmaßnahmen anheizt. Die IHK Südthüringen legte am Montag einen Fahrplan zur Entlastung von Unternehmen vor.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Berlin/Suhl - Angesichts stark steigender Energie- und Verbraucherpreise werden Forderungen nach Entlastungen für Verbraucher und auch der Wirtschaft lauter. Die Linke schlägt eine Einmalzahlung von 200 Euro vor, die zum 1. Dezember an rund 13 Millionen armutsgefährdete Menschen ausgezahlt werden sollte.

Der Städtetag plädiert für eine Unterstützung beim Strompreis und Wohngeld. CSU-Chef Markus Söder hatte die Koalitionsverhandler von SPD, Grünen und FDP aufgefordert, die Mehrwertsteuer auf Energie und Kraftstoffe zu senken.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen legte am Montag einen Fahrplan vor, wie aus ihrer Sicht Unternehmen von den hohen Energiekosten entlastet werden könnten.

Die Kammer sieht angesichts des rasanten Preisanstiegs „Existenzen in der Region akut gefährdet“, da nicht alle Unternehmen die Kostensteigerungen kurzfristig abfedern könnten, teilte IHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Pieterwas in Suhl mit. Die Kammer setze sich daher dafür ein, dass Unternehmen eine schnelle Unterstützung erhielten und nennt auch Optionen, wie das funktionieren kann.

Unternehmen, die in den nächsten Wochen neue Lieferverträge für Strom oder Erdgas abschließen müssen, seien teilweise mit dreifach höheren Preisen gegenüber den bisherigen Verträgen konfrontiert. „Dieser rasante Anstieg kann durch die Unternehmen nicht ausgeglichen werden“, so Pieterwas. „Es ist kaufmännisch vielmals nicht darstellbar, dass kurzfristig – also innerhalb weniger Wochen oder Monate – ein Unternehmen dreimal so hohe Kosten abfedern kann. Das ist weder durch eigene Mittel oder Kostenwälzung noch durch Energieeffizienzmaßnahmen oder den Einsatz erneuerbarer Energien zu realisieren.“

Neben den stark gestiegenen Marktpreisen führt die Kammer die wachsende Belastung auch auf die CO₂-Bepreisung zurück. „Doch solche Kosten sind zum aktuellen Zeitpunkt kontraproduktiv, um überhaupt in Energieeffizienz oder erneuerbare Energien zu investieren. Zudem braucht die Wirtschaft mehr Zeit für die Transformation hin zur Klimaneutralität“, erklärte Pieterwas. Die klimawirksame Umstellung von Produktionsprozessen und -verfahren seien langfristige Vorhaben. Der Austausch von Erdgas durch Wasserstoff, beispielsweise für die Glasindustrie, werde derzeit noch erforscht.

Die angekündigte Senkung der EEG-Umlage von 6,5 Cent je Kilowattstunde auf 3,723 Cent reiche für eine wirksame Entlastung nicht aus. Zusätzlich notwendig sei eine sofortige Senkung der staatlich herbeigeführten Kostenbelastung – beispielsweise der Stromsteuer. Auch das temporäre Aussetzen der CO₂-Steuer im kommenden Jahr würde Unternehmen bei der Kompensation der Kosten unterstützen und ihnen einen zeitlichen Puffer für die Planung und Umsetzung von klimaschützenden Maßnahmen verschaffen. „Zudem fordern wir die Politik auf, bestehende Einschränkungen in den Lieferketten im Energie- und Rohstoffbereich zu beseitigen und neue Lieferwege – wie die Nord Stream 2 – durch schnelle und unbürokratische Genehmigungsverfahren zu ermöglichen“, sagte Pieterwas.

Im Oktober sind nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes die Kosten für Energie innerhalb eines Jahres kräftig um 18,6 Prozent gestiegen. Der Preisauftrieb beschleunigte sich damit. Steigende Energiepreise heizen die Inflation seit geraumer Zeit an. Zudem schlägt die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung durch. Seit Januar 2021 gelten wieder reguläre Mehrwertsteuersätze, Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell wieder teurer. Hinzu kommen Materialmangel und Lieferengpässe sowie die CO2-Abgabe. Seit Jahresbeginn sind 25 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch verlangte von der künftigen Bundesregierung, die geplante nächste Stufe der CO2-Preiserhöhung zum Jahresanfang 2022 zu streichen. Über den steigenden CO2-Preis will der Bund den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) senken. Eine Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP müsse so schnell wie möglich sicherstellen, dass die Energiepreise für Bürgerinnen und Bürger bezahlbar blieben, sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nötig sei die Vorlage eines „Winter-Energieplans“. Dieser sollte eine Senkung des Strompreises und ein Verbot von Strom- und Gassperren enthalten, forderte der Linken-Politiker.

„Wir müssen reagieren, wenn wir wollen, dass Menschen im Winter nicht frieren“, sagte Linken-Chefin Hennig-Wellsow nach Beratungen der Parteispitze. Die Einmalzahlung würde auch als Konjunkturprogramm wirken, heißt es in einem Papier der Partei. Vorgeschlagen werden neben der Einmalzahlung eine sofortige Anhebung von Hartz IV um die Inflationsrate, eine Berücksichtigung von Heiz- und Stromkosten beim Wohngeld, ein Verbot von Gas- und Stromsperren für Privathaushalte, die Übernahme des CO2-Preises für das Heizen von Wohnungen durch die Vermieter und eine Pflicht für Strom- und Gasanbieter, Privatkunden ein Grundkontingent kostenlos anzubieten.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, forderte eine Erhöhung des Heizkostenzuschusses im Wohngeld für Haushalte mit geringem Einkommen. Das betreffe mehr als 660 000 Haushalte in Deutschland, sagte er der „Rheinischen Post“. Zudem müsse die künftige Bundesregierung ihre Gestaltungsmöglichkeiten speziell beim Strom nutzen, um Bürger zu entlasten. Es sei zu begrüßen, dass die EEG-Umlage zur Ökostrom-Förderung zum neuen Jahr gesenkt werden solle. „Aber das reicht nicht aus. Die neue Bundesregierung sollte die EEG-Umlage abschaffen“, verlangte Dedy.

Söder hatte in der „Bild am Sonntag“ gefordert, „wir müssen den Bürgern steuerlich in dieser schweren Zeit entgegenkommen“. Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Energie und Kraftstoffe „würde die Bürger von den schlimmsten Härten entlasten“. Zudem verlangte der bayerische Ministerpräsident eine Preisbremse für den Winter und eine Gas-Strategie, die die Versorgung Deutschlands sichere.

Eine Mehrwertsteuersenkung wäre „ökologisch, wirtschaftlich und sozial das Schädlichste“, was die Politik tun könne, hielt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, im „Handelsblatt“ dagegen. Der Preis für fossile Energieträger müsse steigen und nicht sinken, damit Unternehmen und Menschen ihr Verhalten änderten. Zugleich forderte der DIW-Chef staatliche Unterstützung für Geringverdiener. dpa/jol

Autor

Bilder