Dubiose AfD-Helfer Kannte Sesselmann seine Nazi-Fans?

Der Ballon-Verteiler von Föritz, der Neonazi Daniel W. (links), posierte im Landratswahlkampf im AfD-Outfit mit Robert Sesselmann. Foto: Facebook

War der Mann, der AfD-Ballons an Kindergartenkinder verteilte und sich als militanter Nazi entpuppt, Robert Sesselmann bekannt? Warum ließ der neue Sonneberger Landrat einen weiteren prominenten Rechtsextremisten auf seine Wahlparty? Fragen bleiben offen.

 
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Unklare Verbindungen zwischen radikalen Neonazis und der Sonneberger AfD werfen in der Woche nach der Wahl Robert Sesselmanns zum Landrat Fragen auf. Inzwischen wurden entscheidende Details zum zum Hintergrund jenes Mannes bekannt, der am Montag in eindeutiger Kleidung aus seinem mit Nazi-Sprüchen beschrifteten Auto heraus blaue AfD-Luftballons an Kindergartenkinder in Föritz im Landkreis Sonneberg verteilt hatte. Es handelt sich um Daniel W., der nach Recherchen von MDR und „Spiegel“ aus der militanten Nazi-Szene stammt und zum Umfeld des „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) gehörte.

Mit radikalen Äußerungen und Aktivitäten stand W. bereits Anfang der 2000er Jahre im Fokus der Behörden. Der aus einem kleinen Dorf in der Gemeinde Föritztal stammende Mann war demnach bei der „Kameradschaft Sonneberg“ aktiv, einem regionalen Ableger des „Thüringer Heimatschutzes“, aus dem der rechtsterroristische NSU mit seinen zahlreichen Morden hervorgegangen war. In seiner Zeit als Bundeswehrsoldat Anfang der 2000er Jahre hatte Daniel W. dem Militärischen Abschirmdienst gegenüber erklärt, er habe „einiges an Hitler gut gefunden. So zum Beispiel, dass er die Behinderten umgebracht hätte“. Zuvor sei er als Skinhead mehrfach gewalttätig gewesen und habe sich mindestens zehn Mal mit Migranten geprügelt habe, „ohne dass der Staat es gemerkt hat“, wie es in Bundeswehrdokumenten heißt.

Genau dieser W. hatte sich im Sonneberger Landrats-Wahlkampf im AfD-Outfit Schulter an Schulter an der Seite von Robert Sesselmann und Björn Höcke fotografieren lassen und diese Bilder auf Facebook verbreitet. Die AfD erklärte, der Mann sei in der Partei als „problematisch“ bekannt und kein Mitglied, sondern vielmehr ein ungebetener Wahlhelfer, der der AfD schaden wolle. Er habe sich die Fotos erschlichen und sei sowohl Höcke als auch Sesselmann unbekannt. „Der Landesvorstand distanziert sich stellvertretend für den gesamten Landesverband aufs deutlichste von dieser Person“, sagte der Thüringer AfD-Sprecher Torben Braga laut „Spiegel“. Über die Vergangenheit von W. habe man nichts gewusst.

Beobachter wie die NSU-Expertin und Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner bezweifeln, dass die Nazi-Identität des auch von einschlägigen aktuellen Demos bekannten Mannes der AfD im kleinen Kreis Sonneberg verborgen geblieben sein konnte. So soll W. auch zu den Organisatoren der von der Querdenker-Szene organisierten Sonneberger „Friedensdemos“ gehört haben. „Die Aufkleber auf dem Auto und die Verherrlichung der nationalsozialistischen Wehrmacht sind unmissverständlich. In so einer kleinen Stadt ist das unübersehbar“, zitiert der „Spiegel“ Renner. „Daniel W. hat eine eindeutige Neonazi-Biografie, die aus dem NSU-Umfeld zur AfD führt.“

Belege für die These der AfD, dass sich W. ohne Wissen und Zustimmung der Partei eingeschleust haben soll, nannte AfD-Sprecher Braga nicht. Weder W. noch Robert Sesselmann äußerten sich auf Nachfrage zu einer möglichen bewussten Verbindung zwischen der AfD und dem radikalen Nazi. Dass W. im AfD-Kreisverband bekannt gewesen sein soll, aber ausgerechnet dem Spitzenkandidaten nicht, ist jedenfalls nicht schlüssig. Somit bleibt die Frage im Raum, warum Sesselmann kein Problem damit hatte, sich brüderlich mit einem militanten und radikalen Neonazi ablichten zu lassen.

Auch die Äußerung des Föritztaler Bürgermeisters Andreas Meusel vom Dienstag, wonach für die Erzieherinnen des kommunalen Föritzer Kindergartens die rechtsextremen Intentionen des Ballonverteilers nicht erkennbar gewesen seien, erscheinen nun in einem anderen Licht. Der Mann ist nach Angaben Meusels Mitglied im Elternbeirat des Kindergartens.

Ein Holocaust-Leugner war Gast bei der AfD-Wahlparty am Sonntag in Sonneberg: Nikolaus Nerling (Mitte), ein bundesweit bekannter Rechtsextremist /Steffen Ittig

Ein weiterer Nazi wurde von Sesselmann und seinen AfD-Parteifreunden nicht nur geduldet, sondern offenbar aktiv auf ihre Wahlparty am Sonntag in Sonneberg eingeladen hatten. In diesem Fall handelt es sich um den bundesweit bekannten Rechtsextremem Nikolaus Nerling, einen wegen Volksverhetzung verurteilten Antisemiten, Holocaust-Leugner und Reichsbürger-Anhänger, Der 42-Jährige saß im Biergarten der Frankenbaude an einem Tisch, auf dem Schriften des einschlägigen „Compact“-Magazins präsentiert wurden. Nerling, der als szenebekannter „Volkslehrer“ in den sozialen Medien unterwegs ist, war voriges Jahr mehrfach zusammen mit dem Sonneberger NPD-Aktivisten Axel Schlimper aufgetreten. So verbreitete er das von ihm gefilmte Video einer fiktiven „Reichsbürger-Armee“ auf der Fahrt durch den Thüringer Wald. Auf die Nachfrage unserer Zeitung, warum dieser prominente Rechtsextreme auf der Wahlparty Robert Sesselmanns präsent war und wer ihn eingeladen hatte, reagierte die AfD nicht.

nnenministerium verteidigt Prüfung Sesselmanns

Unterdessen hat Thüringens Innenstaatssekretärin Katharina Schenk (SPD) die nachträgliche Überprüfung des neu gewählten Landrats Robert Sesselmanns auf Verfassungstreue gegen Kritik verteidigt. Diese Überprüfung sei gesetzlich ausdrücklich vorgesehen, da die Rechtsaufsicht sicher gehen müsse, ob der neue Landrat als Wahlbeamter die formalen Anforderungen an seine Position erfülle, schrieb Schenk auf Twitter. Das Kommunalwahlgesetz schreibe vor, dass „der Gewählte die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung einzutreten“. Die Mitgliedschaft in der als rechtsextrem eingestuften AfD sein ein „klares Indiz“, dass daran möglicherweise Zweifel bestehen können. Es gehe keineswegs um die Annullierung einer demokratischen Wahl, sondern „um die persönliche Eignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis“, erklärte Schenk weiter.

Eine solche Überprüfung sei nur nach einer erfolgten Wahl möglich und nicht bereits vor der Zulassung der Kandidaten. Zuständig hierfür ist ein ehrenamtlichen Wahlausschuss; dieser könne eine solch schwerwiegende Entscheidung nicht treffen, für die es „zum Glück hohe Hürde“ gebe. Schenk: „Eine bloße AfD-Mitgliedschaft reicht nicht aus, um einen Kandidaten von einer Wahl auszuschließen.“

Schützenhilfe erhält die SPD-Politikerin von Ex-Regierungssprecher und CDU-Berater Karl-Eckard Hahn.„Eine Überprüfung von Kandidaten für kommunale Wahlämter auf Verfassungstreue ist vor der Wahl kaum seriös möglich“, schriebt Hahn auf Twitter. Der Grund: Zwischen Einreichungsfrist und Zulassung zur Wahl liegen laut Kommunalwahlgesetz lediglich elf Tage.

Sollte die aktuelle Überprüfung für Sesselmann negativ ausfallen, wäre dem Innenministerium zufolge eine Wiederholungswahl anzuordnen.

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