"Dritter Weg" brüstet sich mit Corona-Spaziergang Kommentar: Die Fassade des Harmlosen bröckelt

„Friede und Freiheit“ stand auf dieser Banane, die am Abend des 29. Dezember am Rande des zweiten Eberner Spaziergangs auf einer Fensterbank lag. Von Frieden konnte aber aufgrund von Collagen und Bedrohungen im Vorfeld schon da keine Rede mehr sein. Foto: Christian Licha

Am Mittwoch, 29. Dezember, gingen wieder zahlreiche Menschen in Ebern auf die Straße. Doch langsam wird deutlich, welche Interessen dadurch wirklich vertreten werden. So brüstet sich die neonazistische Partei „Dritter Weg“ am nächsten Morgen mit dem Aufmarsch. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, mit wem er da „spazieren geht“, findet unsere Autorin.

 
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Der Kopf eines Bürgermeisters, der aus einer Mülltonne schaut, Drohanrufe von Vermummten, die Personen „ihren ganz persönlichen Splatterfilm “ verheißen – das Geschehen rund um die Spaziergänge in Ebern hat am vergangenen Mittwoch seinen bisher unwürdigsten Höhepunkt erreicht.

Gewiss, die Demonstration am Abend selbst verlief relativ friedlich – wer jedoch angesichts der „Rahmenbedingungen“ weiter die Augen verschließt, dem muss man zumindest Naivität unterstellen, wenn er von harmlosen Spaziergängen fabuliert. Denn eines ist sicher: Demütigung, die Bloßstellung durch Karikaturen/Collagen sowie die anonyme Einschüchterung sind Werkzeuge, die das extreme Spektrum nutzt, um unliebsamen Widerspruch niederzuwalzen.

Zugegeben, alle Menschen, die an den Eberner Spaziergängen teilnehmen, auf eine Stufe mit Nazis oder neonazistisch ausgerichteten Personen zu stellen, führt wohl ebenso ins Absurde wie der Versuch mancher Demonstrationsteilnehmer, sich im Gegenzug auf eine Stufe mit den verfolgten, gefolterten und bestialisch ermordeten Juden zu stellen.

Einen Vorwurf aber müssen sich alle Spaziergänger gefallen lassen: den der Ignoranz, den Vorwurf, dass sie die Augen verschließen. Denn der sogenannte „Dritte Weg“, eine neonazistische deutsche Kleinpartei, brüstet sich bereits am Morgen nach dem zweiten Spaziergang auf seiner Homepage mit einem ausführlichen Bericht und mehreren Fotos des Abends, die davon zeugen, dass Anhänger der neonazistischen Partei sehr wohl vor Ort waren – auch wenn das von den Spaziergängern gerne geleugnet wird – damit, dass die „Zwangsmaßnahmen für die Tonne“ gewesen seien.

Stolz zeigen sich die Rechtsextremen in einem von vulgären Beleidigungen durchzogenen Text auf die Eberner Spaziergänger, von denen einer eine braune Mülltonne (Eberns Bürgermeister hatte durch das Aufstellen eben solcher zum stummen Protest aufrufen wollen) „mit durch die Straßen schleifte“. Jedoch, wie „Der Dritte Weg“ jubelt, nicht als stummen Protest, sondern, ganz im Sinne der Rechtsextremen: „sichtbar reserviert für die volksfeindliche Politik der etablierten Versagerparteien. Also kurzum: Zwangsmaßnahmen für die Tonne!“.

Worauf also können die Eberner Spaziergänger stolz sein? Immer wieder heißt es aus ihren Reihen, dass „die Organisatoren so eines Spaziergangs egal sind, wenn es denn dem guten Zweck dient“. Welchem guten Zweck? In Berlin wird sich niemand an den paar Hunderten stören (die sogar großteils eher aus dem Umland als aus der Stadt selbst zu diesen Veranstaltungen reisen, wovon die fremden Kennzeichen der Autos zeugen). Der „gute Zweck“, die „eigenen Kinder zu schützen“, ist lediglich eine herbeifantasierte Illusion, die mit der Realität nicht übereinstimmt.

Aber eines haben die Eberner Spaziergänger nachweislich erreicht: Dass sie als „Erfolgsgeschichte“ auf der Website einer neonazistischen Partei stehen. Dass Fotos von ihnen auf eben dieser Website veröffentlich wurden. Rechtsextreme haben an diesem Abend Fotos der Spaziergänger gemacht – und damit wohl auch ihrer Kinder, die die Eltern vorgeben, schützen zu wollen.

Die Eberner Spaziergänger machen sich zum Zugpferd rechtsextremer Ideologien, die mit dem Deckmantel des „Harmlosen“ in die Mitte der Gesellschaft getragen werden. Zunutze machen sich die Rechtsextremen dabei die Naivität und Ignoranz einzelner Bürger.

Wer nach den Geschehnissen im Vorfeld (der Collage und der vermummten Drohanrufe) sowie den stolzen Jubelschreien der Rechtsextremen auf ihrer eigenen Homepage immer noch leugnet, dass er lediglich einer Farce hinterher rennt, wenn er an solchen Spaziergängen teilnimmt, der muss sich künftig nicht mehr wundern, wenn ihm zumindest ein Unterstützen neonazistischer Ziele und Gedanken vorgeworfen wird. Denn wie sagte schon der Dichter und Schriftsteller Hans Hauenstein: „Ein fauler Apfel verdirbt den ganzen Korb.“

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