Dresden/Sonneberg Das Küken ist jetzt ein Profi

Moritz Bauer,

Lina-Marie Lieb aus Sonneberg verstärkt ab der kommenden Saison als Außenangreiferin die Bundesliga-Volleyballerinnen des Dresdner SC. Die Vorfreude steigt - auch in ihrer Heimatstadt.

 
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Dresden/Sonneberg - "Mein erstes Bundesligaspiel mit Zuschauern im Rücken, das wäre einfach ein Träumchen. Ich hoffe so sehr, dass wir wieder Publikum in der Halle haben dürfen und nicht etwa mit Geisterspielen vorliebnehmen müssen", meint die 18-jährige Lina-Marie Lieb vor ihrem Debüt in der Frauenvolleyball-Bundesliga. Die Sonnebergerin hatte vor wenigen Tagen einen einjährigen Profivertrag beim Dresdner SC unterschrieben. Und trotz Corona: Das Jahr 2020 ist für Lina-Marie Lieb bisher das genaue Gegenteil eines Seuchenjahres - mit zwei äußerst richtungsweisenden Ereignissen. Das erfolgreiche Absolvieren ihres Abiturs und der Profivertrag stimmen die junge Frau zuversichtlich.

Dabei liegen hinter der 1,82 Meter großen Außenangreiferin vier Jahre im Nachwuchszentrum des Volleyball-Bundesstützpunkts in Elbflorenz. Gleichzeitig kann sie auf vier erfolgreiche Spielzeiten in der 2. Volleyball-Bundesliga zurückblicken, denn schon mit 15 war sie zum ersten Mal für den VC Olympia Dresden im Unterhaus aufgelaufen. "Wenn man vier Jahre lang erfolgreich eine Liga tiefer gespielt und sich kontinuierlich weiterentwickelt hat, rechnet man logischerweise damit, den nächsten Schritt machen zu können. Ich habe auch Anfragen anderer Bundesliga-Vereine bekommen, aber ich habe mich bewusst entschieden, hier in Dresden zu bleiben. Die Stadt, der Verein und mein soziales Umfeld - momentan passt das einfach und ich fühle mich hier sehr wohl."

Tipp vom Hausmeister

Aufgrund der Corona-Pandemie war die vergangene Spielzeit nicht regulär beendet worden, bei noch drei ausstehenden Meisterschaftsspielen wurde sie vorzeitig abgebrochen. Ende Mai hätte Lieb wieder bei der Deutschen U20-Meisterschaft auf dem Feld gestanden, doch auch dieses Highlight fiel flach. Wieder eine neue Situation für die künftige Bundesliga-Spielerin. "Unsere Saisonvorbereitung als Mannschaft beginnt am 27. Juli. Zurzeit machen wir hauptsächlich individuelles Training im Kraftraum, arbeiten an unserer Athletik oder trainieren meist im Freien und in kleinen Gruppen. Und da meine amerikanischen Mannschaftskolleginnen auch noch nicht da sind, ist die Größe unserer Trainingsgruppe jetzt noch sehr überschaubar", schildert die zweitjüngste Spielerin des Dresdner SC die derzeitige Lage. Im Herbst läutet der Start der neuen Spielzeit und der Beginn des Wintersemesters an den sächsischen Universitäten quasi zeitgleich den neuen Lebensabschnitt von Lina-Marie Lieb ein. Dann nimmt sie an der TU Dresden ein Teilzeitstudium für Hydrowissenschaften in Angriff, welches sie mit ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in der Sporthalle unter einen Hut bekommen will.

Vor fast genau zehn Jahren hatte Lina-Marie Lieb in der Sonneberger Lohau-Turnhalle das Volleyball-Abc erlernt. In der dritten Klasse hatte der Hausmeister der Grundschule ihr
Interesse geweckt. Eher zufällig schnupperte sie beim Training des 1. Sonneberger VC 04 rein. Schon 2014 gehörte sie zu einer festen Größe im Frauen-Team der Spielzeugstädterinnen. "Obwohl Lina eines der Küken der Mannschaft war, hatte sie immer ein paar gute Tipps und Tricks auf Lager und war ein echter Teamplayer. Ich bin extrem stolz darauf, dass sie es so weit gebracht hat", erinnert sich Mitspielerin Miriam Ehrsam.

Früh wurde Lina-Marie Lieb auch in die Thüringer Landesauswahl berufen und nahm an bundesweiten Turnieren teil. Und dabei saß zwischen all den jubelnden Müttern und Vätern auch ein namhafter Nachwuchstrainer auf der Tribüne - der sächsische Frauen-Landestrainer Jens Neudeck. Er war es, der auf die Sonnebergerin aufmerksam geworden war und sie zu einer Schnupperwoche an die Elbe einlud. Ein Scouting mit Wirkung - Lina-Marie Lieb verließ im Sommer 2016 Sonneberg und wechselte nach Dresden an den Bundesstützpunkt.

Natürlich mit Genehmigung der Eltern. Kathrin und Olaf Lieb spielten früher Handball und unterstützen ihre Tochter in jeder nur erdenklichen Station ihrer Sportlerkarriere. Weite Fahrten durch die ganze Republik hatten schon vor etlichen Jahren einen festen Platz im Kalender des Ehepaars Lieb. Schließlich wollte man die damalige Juniorin so oft wie möglich anfeuern. "Wir versuchen, bei so vielen Spielen wie möglich live dabei zu sein. Das gilt für Linas Heimspiele in Dresden genauso wie für die bald anstehenden Auswärtsspiele gegen die Thüringer Bundesligisten aus Suhl und Erfurt", erzählen die beiden Sonneberger voller Stolz. Immerhin ist es auch für sie ein riesiges Abenteuer, den Weg der Tochter mitzuverfolgen.

Sonnebergs Vereinschef Christian Kökow, der einst im Zweitliga-Kader des Klubs vertreten war, kann sich trotz seiner erst 31 Lenze noch sehr gut an Lina-Marie Lieb erinnern. "Sie war immer extrem motiviert, wollte immer mehr, hat immer gebissen. Sie war schon damals durch und durch eine Sportlerin", schwärmt er von der Neu-Dresdnerin. Kökow hatte vor wenigen Tagen aus dem WhatsApp-Chat des Vereins erfahren, dass die Sonnebergerin in Elbflorenz in Liga eins aufschlagen wird. "Schön, da wird sie ja bald auch in Suhl sein", mutmaßt der SVC-Chef voller Vorfreude.

Dabei gibt es im Verlauf des Jahres mehrfach Wiedersehensfreuden bei den Sonneberger Volleyballern. "Ich versuche, so oft wie möglich mal nach Hause zu meiner Familie zu fahren. Das war und ist mir immer noch wichtig. Als im März und April Schule und Internat geschlossen waren, war ich sogar einmal wieder sechs Wochen am Stück daheim", blickt Lina-Marie Lieb zurück.

Diesmal als Gegnerin

In Sonneberg trifft sie aber nicht nur Gleichaltrige, sondern auch diejenigen Vertreter des älteren Volleyball-Semesters, die ihre grandiose Entwicklung frühzeitig vorausgeahnt haben. Dazu dürfen sich sicherlich auch die Trainer Peter Reißenweber und Peter Höhn zählen. "Rank und schlank war sie schon als Zwölfjährige", erinnert sich Höhn. "Und dass da einfach etwas hängen bleiben muss, erkannten auch ihre Eltern sehr schnell und förderten sie."

Von dem gut einjährigen Training unter den Fittichen von Höhn blieb nur Positives in Erinnerung. "Lina war sehr, sehr ehrgeizig. Von Anfang an. Sie wollte unbedingt was werden", schwärmt der Sonneberger. Erst Anfang März hatte Höhn seinen früheren Schützling bei der U20-Regionalmeisterschaft getroffen. Leider auf der anderen Seite des Netzes, im Trikot des VCO Dresden. Aufopferungsvoll, aber letztendlich erfolglos hatten dabei die Sonnebergerinnen - meist aus den Altersklassen U16 und U18 - dem übermächtigen Gegner aus Elbflorenz Paroli zu bieten versucht. Im Dresdner Kader standen gleich vier blutjunge U20-Bundesliga-Spielerinnen. Und darunter war eben auch Lina-Marie Lieb.

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