Produktions-Ende vor 30 Jahren Längst Kult und ab Mai allesamt Oldtimer

Simone Rothe und

Aus den geschmähten „Stinkern“ wurden Oldtimer: 30 Jahre nach dem Produktionsstopp im April 1991 erleben Wartburg und Trabant eine Renaissance. Gut erhaltene Exemplare sind gesucht – und haben durchaus ihren Preis.

 
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Eisenach/Zwickau - Und sie fahren immer noch: 30 Jahre nach der Einstellung der Produktion sind von den DDR-Klassikern Wartburg und Trabant noch einige Zehntausend auf Deutschlands Straßen unterwegs. Mehr noch: Die Zahl der betagten Gefährte, die wahlweise als „Plastebomber“ oder „Rostlaube“ geschmäht wurden, steigt seit 2015, belegen Zulassungszahlen des Flensburger Kraftfahrt-Bundesamtes .

Die historischen Autos, von denen die letzten im April 1991 im thüringischen Eisenach und im sächsischen Zwickau gebaut wurden, würden jetzt wieder aus Scheunen, Schuppen oder Garagen geholt, fahrtüchtig gemacht und zugelassen, sagen Fachleute zu den steigenden Zahlen. „Wartburg und Trabi haben nicht nur Kult- sondern jetzt auch Oldtimerstatus erlangt“, so der Geschäftsführer der Kölner BBE Automotive GmbH, Gerd Heinemann. Ein Teil von ihnen trage auch das H-Kennzeichen für Oldtimer – bei den noch zugelassenen Wartburg sind es demnach fast 4000 und damit knapp die Hälfte des aktuellen Bestandes.

Heinemanns Beratungsunternehmen legt jährlich eine Studie zum Youngtimer- und Oldtimer-Markt für den Verband der Automobilindustrie (VDA) und andere Organisationen vor. „Der Trabant steigt definitiv im Wert. Und die ganz alten Wartburg sind richtige Schätzchen“, findet der Autoexperte.

Nach seiner Einschätzung wird der Markt für die beiden DDR-Oldies noch weiter wachsen. „Weil es sich lohnt, sie fahrtüchtig zu machen. Das ist eine Art Rückbesinnung und fast schon ein kleiner Boom.“ Für einen Trabant in Topzustand würden heute durchaus 10 000 Euro gezahlt.

Der Name Trabant bedeutet übrigens Begleiter. Gefunden wurde er durch einen Wettbewerb. Der Bezug zu einem anderen Begleiter, auf russisch Sputnik, ist klar. Sputnik 1, der erste künstliche Erdsatellit, wurde am 4. Oktober 1957 von der Sowjetunion ins All gebracht, sein Start bewegte die Welt.

Ein Traumauto ist für viele Menschen bis heute der Wartburg 311 Coupe. Der schnittige Wagen, der einst auch nach Skandinavien und Westeuropa exportiert wurde und zu Zeiten der Produktion absolut auf Weltniveau war, kann als ordentlich restaurierter Oldtimer schon mal mit Preisangaben zwischen 26 000 und 50 000 Euro versehen sein.

Für einen Wartburg 1.3 – dem letzten Modell vor dem Produktionsende am 10. April 1991 – sind es immer noch einige Tausend Euro.

Erinnert wurde an das Aus für die Produktion vor 30 Jahren jetzt von der rührigen Fangemeinde in Eisenach coronabedingt nur virtuell – mit Fotos von individuellen Ausfahrten. „Die Wartburg-DNA ist in Eisenach immer noch vorhanden“, sagt Oberbürgermeisterin Katja Wolf. Und sie verweist auf mehr als 120 Jahre Automobilbautradition in der Stadt unter der Wartburg, die dem Wagen den Namen gab. Heute geht sie mit einem Opel-Werk und verschiedenen Zulieferern weiter. Zudem betreibt eine Stiftung das sehenswerte Museum Automobile Welt Eisenach. Immerhin wurde auch das erste BMW-Automobil in Eisenach und nicht etwa irgendwo in Bayern gebaut, wie auch anhand von Exponaten im Suhler Fahrzeugmuseum zu belegen ist.

Den drastische Schwund der DDR-Gefährte und ihre kleine Renaissance dokumentiert das Kraftfahrt-Bundesamt. Für Wartburg und Trabant wurden die Daten seit 1993 gesondert zusammengefasst – sogar nach den Beständen in den einzelnen Bundesländern, berichtet Sprecherin Diana Christin Thomsen.

Danach waren im vergangenen Jahr bundesweit 8361 Fahrzeuge aus dem Automobilwerk Eisenach (AWE) zugelassen – 2015 waren es erst 7244.

Vom Trabi, dessen Aus am 30. April 1991 besiegelt wurde, sind demnach derzeit noch 38 137 Exemplare fahrbereit – 2015 waren es noch 32 832. Der überwiegende Teil ist nach wie vor in Ostdeutschland unterwegs.

Zum Vergleich: Zehn Jahre nach dem Ende der Produktion in Eisenach und bei Sachsenring in Zwickau waren immerhin noch rund 52 000 Wartburg und 160 000 Trabant zugelassen. Neben Alltagsgefährten, die noch wie zu DDR-Zeit in beige, himmelblau oder grau daher kommen, haben sich viele zu Hingucker-Autos gemausert. Viele Vereine pflegen die alten Autos.

Insgesamt wächst der Markt für historische Autos in Deutschland, geht aus Zahlen des VDA hervor. Bundesweit gab es danach 2020 erstmals mehr als eine halbe Million Pkw mit H-Kennzeichen. Mehr als 3500 Werkstätten und Autohäuser mit über 9000 Beschäftigten engagierten sich in diesem Markt. Auch für die DDR-Gefährte gebe es noch ausreichend Ersatzteile, sagt Heinemann. „Viel wurde da in der DDR gehortet.“

Die volkseigenen Autowerke waren nach der Wiedervereinigung von der Treuhandanstalt abgewickelt worden. Eisenach und Zwickau bleiben Autostädte. In Ostdeutschland laufen bei Opel in Eisenach, Volkswagen in Mosel bei Zwickau, BMW und ebenso Porsche in Leipzig sowie demnächst die E-Autos von Tesla in Grünheide in Brandenburg vom Band. Es gibt unzählige Zulieferunternehmen. Hinzu kommen die Nutzfahrzeuge von Mercedes Benz in Ludwigsfelde und Multicar in Waltershausen. VDA-Sprecher Peter Schubert beziffert die Produktionszahl der im vergangenen Jahr in Ostdeutschland hergestellten Fahrzeuge auf in Summe 480 000 Autos. Das war immerhin nahezu jeder siebte in Deutschland gefertigte Wagen.

Die Geschichte von Wartburg und Trabant

Wartburg
–  1955 wurde im Automobilwerk Eisenach der erste Wartburg   unter der Bezeichnung 311 gebaut, nach elf Jahren und zahlreichen Varianten wie  Sportkombi, Coupé  und Cabriolet  folgte 1966  der Wartburg 353, der   dann mehr als zwei Jahrzehnte lang produziert wurde.
– 1988 wurde der Zweitaktmotor durch einen 1,3-Liter-Viertakter –  gebaut in Lizenz von Volkswagen –  ersetzt. Der Wartburg trug  den Zusatz 1.3.
–  Bei der Produktionsstilllegung am 10. April 1991 hatte das Thüringer Autowerk noch etwa 6100 Beschäftigte. In den Jahren davor waren es bis zu 8000.
– Gebaut wurden etwa 1,2 Millionen Autos der Marke Wartburg.
– Insgesamt kamen aus dem Eisenacher Fahrzeugwerk, das Ende des 19. Jahrhunderts gegründet worden war, mehr als 1,8 Millionen Autos.
– Am 10. April 1991 wurde die Wartburg-Produktion beendet.


Trabant
–  Der erste Trabant  P 50 (auch Trabant 500) rollte 1957 in Zwickau vom Band. Das Auto hatte 18 PS und wurde bis 1962 gebaut, ihm folgte bis 1964 der Trabant 600.
– 1964 ging der Trabant P 601 in die Serienfertigung. Von diesem Modell wurden rund 2,8 Millionen Autos als Limousine, Kombi und Kübelwagen gebaut. Ursprünglich sollte er   nur über einen Zeitraum von drei Jahren  produziert werden –  es wurden  26 Jahre.
–  1988 begann die Nullserie des Trabant 1.1 mit einem in Lizenz gebauten VW-Vierzylindermotor.
– Bis zum Stopp der Produktion am 30. April 1991 in den Sachsenring Automobilwerken wurden knapp 3,1 Millionen Trabant gebaut.
–  Die Sachsenring-Belegschaft  war bis 1990 auf    12 000   gewachsen.
–  Am 30. April 1991 lief der letzte Trabi vom Band.

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