Corona in Thüringen Zahlen höher als im vorigen Sommer

In den Pflegeheimen explodieren derzeit die Corona-Infektionszahlen. Foto: dpa/Sebastian Willnow

Thüringen hat derzeit die niedrigste Corona-Inzidenz aller Bundesländer. Doch die aktuellen Zahlen aus Pflegeheimen und Intensivstationen verheißen wenig Gutes für den Herbst. Derweil sorgen hunderte Thüringer Medizinbeschäftigte mit einer Fundamentalkritik an den freiwilligen Corona-Impfungen für Aufsehen.

 
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Die Corona-Epidemie in Thüringen nimmt weiter an Fahrt auf. In den Krankenhäusern und Pflegeheimen liegen die Zahlen teils wieder auf dem Niveau vom vergangenen Herbst. So wurden am Donnerstag 30 Corona-Patienten auf Intensivstationen in Thüringen behandelt, wie aus dem Divi-Intensivregister hervorging. Im Jahr 2021 wurden über den Sommer viel weniger Patienten verzeichnet – die 30 wurde erst Mitte Oktober wieder erreicht.

Allerdings ist die Situation auf den Stationen derzeit noch weit vom Höhepunkt der Delta-Welle vom vorigen Winter entfernt. Damals waren teils über 220 Menschen gleichzeitig mit Covid-19 auf den Intensivstationen behandelt worden. Einige wurden in andere Bundesländer ausgeflogen.

In den Thüringer Pflegeheimen haben sich die Infektionszahlen binnen eines Monats mehr als verdoppelt. Insgesamt 249 Bewohner und 162 Beschäftigte waren Stand Mittwoch positiv getestet, wie das Landesverwaltungsamt mitteilte, bei dem die Heimaufsicht angegliedert ist. Betroffen von Ausbrüchen waren 84 Heime. Vier Wochen zuvor, am 22. Juni, waren noch deutlich weniger Menschen infiziert, nämlich 109 Bewohner und 69 Mitarbeiter in 38 Heimen.

Brief mit hunderten Unterschriften

Anfang November 2021 waren die Zahlen nur etwas höher gewesen: Damals waren 338 Bewohner und 175 Mitarbeiter in 76 Heimen infiziert. Auch hier liegen die Zahlen aber noch deutlich unter denen in den Hochphasen der Delta-Welle. Im Dezember 2021 etwa hatte es bei über 700 Bewohnern und 400 Mitarbeitern Corona-Infektionen gegeben. Damals starben binnen vier Wochen mehr als 250 Senioren an oder mit Corona. Immer wieder gab es verheerende Ausbrüche mit teils Dutzenden Todesfällen in einzelnen Heimen. In den vier nun betrachteten Wochen starben insgesamt fünf Pflegeheimbewohner in Verbindung mit Corona.

Thüringen hat derzeit zwar immer noch die niedrigste Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschlands. Der Wert von 426 ist weniger als halb so hoch wie in Bayern (953), allerdings steigen die Zahlen rasant an. Ein vollständiges Bild der Infektionslage liefert die Inzidenz allerdings nicht. Seit geraumer Zeit gehen Experten von einer hohen Zahl von Infektionen aus, die nicht vom RKI erfasst werden, weil bei weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Aber nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik.

Eine Gruppe von Thüringer Ärzten, Zahnärzten, Therapeuten und Pflegekräften hat derweil in einem Brief an Ministerpräsident Bodo Ramelow und Gesundheitsministerin Heike Werner (beide Linke) gefordert, nicht nur die einrichtungsbezogene Impfpflicht zurückzunehmen, sondern alle Corona-Impfungen auszusetzen – auch die freiwilligen. In dem Schreiben wird der Landesregierung vorgeworfen, „die Gesundheit von Menschen in einem bislang unbekannten Maße zu gefährden“, indem sie die Gefahren und Risiken der Impfungen verharmlose und Warnungen nicht ernst nehme. Verfasser des Briefes, der mindestens 400 Unterschriften tragen soll, ist der Weimarer Psychiater Andreas Jost. Zahlreiche der Unterstützer sind Mediziner aus den Kreisen Hildburghausen und Schmalkalden-Meiningen.

Die Landesärztekammer (LÄK) zeigte sich fassungslos über die Forderungen der Kollegen. Man sei entsetzt, „in welcher Weise Kollegen die Pandemiesituation verkennen, darstellen und welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen“, sagte die Präsidentin der Landesärztekammer, Ellen Lundershausen. Es sei immer noch notwendig, Impflücken zu schließen und eine Überlastung der Kliniken zu verhindern.

Auch Werner kritisierte das Schreiben deutlich. Nicht nur, dass sie überrascht sei von der Heftigkeit der Vorwürfe, sagte sie unserer Zeitung am Rande eines Besuchs in Suhl. Dies gelte umso mehr, weil sie sich mit einigen der Unterzeichner selbst zu einem Gespräch getroffen habe. Es zeige sich nun, dass sie nicht bereit seien, sich von wissenschaftlichen Fakten überzeugen zu lassen. Vielmehr hätten diese Menschen „ihre Meinung und offenbar haben sie erwartet, dass ich ihrer Meinung beitrete“. Das tue sie aber ausdrücklich nicht.

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