Bildung Burkhard Werner: „Schule sollvolle Lust aufs Leben wecken“

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Homeschooling – ein großes Thema der Pandemie. Für Haubindas Schulleiter Burkhard Werner ist es an der Zeit zu prüfen, welche der neuen Erkenntnisse zukunftstauglich sind.

 
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Haubinda - Was wäre, wenn wir anfangen, Schule neu zu denken? Was wäre, wenn die Gesellschaft beginnen würde, die Bildung der Kinder zu revolutionieren? Was wäre, wenn wir es schaffen würden, Kindern ganzheitlich und nachhaltig Wissen zu vermitteln? Was wäre, wenn Erkenntnisse aus Lockdowns und Homeschooling in Verbindung mit Digitalisierung Kindern das Lernen und damit das Leben erleichtern würden?

Fragen, die aktuell Burkhard Werner, Schulleiter der Hermann-Lietz-Schule in Haubinda, durch den Kopf gehen. Fragen, die er nicht mehr nur sich, sondern der Verwaltung, der Politik, der Gesellschaft stellen möchte. Weil sie elementar für ihn sind. So elementar wie die die Schulzeit für jedes Kind. Sein Ziel: Kindern in der Schule die volle Lust auf das Leben vermitteln.

Der Schlüssel zum Glück ist für Burkhard Werner dabei Achtsamkeit und eine behütete Umgebung. Und ein Stück Freiheit.

Klar erfüllt sein Team Lehrpläne, gibt Struktur und vermittelt Disziplin, aber er möchte, dass dabei keine einzige Kinderseele Schaden nimmt. Er findet, es ist an der Zeit, Schule und deren Legitimation zu überdenken und neu zu erfinden. Das lernen muss sich verändern. Der Lehrer muss sich verändern. So verändern, dass es zu einer neuen, medial dominierten Welt passt, weil in der Veränderung das Geheimnis eines jeden Erfolgs liegt. Dabei denkt der Pädagoge an wandlungsfähige Architektur für Schulen, an Räume, die Wohlfühlatmosphäre bieten, an virtuelle Räume.

„Früher waren Schulgebäude Prachtbauten. Damit demonstrierte man Respekt vor der Bildung. Heute sind Schulbauten oft wenig durchdacht, basieren nicht auf pädagogischen Konzepten, entbehren jeglicher Fantasie. Dabei ist durch die richtige Lernumgebung so viel möglich. Die Atmosphäre wirkt sich auf die Kinder aus. Ich halte anpassungsfähige Klassenräume für sinnvoll“, sagt Burkhard Werner.

Geld ist seinen Worten zufolge genug da für Bildung. Bildung habe aus Staatssicht einen hohen Stellenwert. Es werde investiert. Lehrergehälter seien hoch. Neue Schulen würden gebaut. Es mangele nicht an materiellen Dingen. Dagegen allerdings an Lehrern. Die Ursache hierfür liege Jahre zurück. Damals seien Fehler gemacht worden. Nun sei die Personaldecke zu dünn.

„Natürlich gibt es durch den Personalmangel im Schulalltag echte Herausforderungen, aber die sollten uns zu neuen Lösungen motivieren. Es ist, wie es ist. Das ändern wir nicht. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Müssen wir beim Schema ein Lehrer, eine Stunde bleiben?“, fragt sich Burkhard Werner, der sich zum Beispiel gut vorstellen kann, das Lehrer online Grundwissen vermitteln und dabei auch Klassen zusammengefasst werden könnten, während die Vertiefung und Übung des neues Stoffes individuell erfolgen könnte. Oder dass ein Kind, dessen Eltern beruflich verreisen müssen und es mitnehmen und einbinden könnten, keine Anwesenheitspflicht in der Schule hat, sondern man darauf schaut, was es auf seiner Reise lernt. „Den Mathematikunterricht könnte es ja zum Beispiel sogar online verfolgen“, so Burkhard Werners Vision.

Aktuell habe es ein Projekt mit diesem Ansatz in der Lietz-Schule „Schloss Bieberstein“ gegeben. Die Schüler seien nach Florenz gereist, um sich dort intensiv dem Thema Kunst zu widmen – vor Ort in der Wiege großer Werke. Andere Unterrichtseinheiten habe man digital abgedeckt.

Lernvideos und virtuelle Lernräume könnten überhaupt laut Burkhard Werner in Zukunft einen hohen Stellenwert in der Wissensvermittlung für Schüler einnehmen.

„Die Quellen, über die man sich Wissen erschließen kann, werden immer vielfältiger. Die Lehrerrolle bekommt Konkurrenz. Wir müssen unsere Rolle sozusagen neu legitimieren. Der Lehrer bekommt dadurch natürlich auch mehr Möglichkeiten, seine Arbeit zu tun. Er kann sich überlegen, wo er wie arbeiten möchte. Digital oder in Präsenz. Es würde mehr Spielraum und Individualität für Lehrkräfte geben“, erklärt Burkhard Werner, der die Verantwortung, wo sich eine Schule hinbewegt und welche Optionen den Lehrkräften geboten werden, ganz klar beim Schulleiter sieht.

Für ihn ist am Wichtigsten, dass seine Teammitglieder sich verwirklichen können und für ihre Sache brennen. Denn laut einer Metastudie aus Neuseeland ist der Lehrer die maßgebende Größe für das Lernverhalten des Kindes. „Deshalb möchte ich, dass die Lehrer sich bei uns wohlfühlen, gut ins Team passen und vom ersten Moment an in den Klassen ihre Rolle als Leitfigur definieren. Nur so entsteht Disziplin in den Klassen“, erklärt Burkhard Werner.

Stehen diese Grundlagen, überlässt er den Fluss eines Schuljahres dem Rhythmus der Natur. „Wir gestalten unser Schuljahr nach Festen und Traditionen, versuchen dabei immer die richtige Fließgeschwindigkeit zu finden, setzen Schwerpunkte und Highlights und leben natürlich ein klassisches Tagesgeschäft mit breiter Wissensvermittlung“, sagt der Pädagoge.

Es sei wichtig, dass zum Beispiel der Faust fester Bestandteil des Lehrplans sei, im Alltag umfangreiches Schulwissen vermittelt werde – das Brot- und Buttergeschäft einer jeden Schule. Dabei werde das Denken trainiert, Synapsen vernetzt, die Agilität im Kopf erhalten.

Schule sei außerdem dafür da, soziales Miteinander zu vermitteln, Kinder erfahren zu lassen, wie Achtsamkeit, Respekt, Wertschätzung und Gemeinschaft funktionieren, wie man lernt und selbstständig denkt.

Im Moment ist das Haubinda-Team unter anderem damit beschäftigt, die Auswirkungen der Lockdowns auf die Psyche der Kinder abzufedern. „Es gibt Kinder, denen ist es leicht gefallen, zu Hause alleine zu lernen. Ihnen hat die Abgeschiedenheit gut getan. Anderen wiederum ist sie gar nicht bekommen. Beide Ansätze müssen wir aufgreifen“, sagte der Schulleiter.

In die tägliche Arbeit der Lehrer müsse man diese Aspekte nun zwingend einfließen lassen und Zukunftsstrategien daraus ableiten, die allen Persönlichkeitsstrukturen gerecht würden. Seine Motivation zieht Burkhard Werner daraus, glückliche Kinder hervorzubringen, die voller Neugier, offen und und begeisterungsfähig durchs Leben gehen.

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