Berlin/Suhl Neuer Sturm ums Suhler Gewehr

Sitz des Waffenhersteller C.G. Haenel in Suhl. Foto: Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa

Die Patent-Probleme mit dem Sturmgewehr der Südthüringer Waffenschmiede Haenel sind ernster als gedacht.

 
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Berlin/Suhl - Was ist schief gelaufen beim Vergabeauftrag für 120 000 neue Bundeswehr-Sturmgewehre, der erst sensationell an die Suhler Waffenschmiede Haenel/Merkel ging und dann vor vier Wochen ebenso überraschend gestoppt wurde? Inzwischen kommt immer mehr Licht ins Dunkel der Vorwürfe, denen sich die Entscheider im Verteidigungsministerium ausgesetzt sehen.

Es geht um ein Patent. Und um Bohrlöcher und einen Schließfederkolben. Diese Bauteile des Waffenverschlusses sind bei der Haenel-Siegerwaffe MK 556 so konstruiert, dass sie auch nach Untertauchen im Wasser schießen kann. "Over the beach"-Fähigkeit nennen das die Militärs. Eine solche Erfindung ist in einem Patent gegen Nachahmung geschützt. Auf der Urkunde dieses Patents mit der Nummer EP2018508 B1 steht der Name des unterlegenen Konkurrenten Heckler & Koch (HK). Und der von Robert Hirt, einem in der Branche bekannten Waffenkonstrukteur, der nach seiner HK-Zeit bei Caracal anheuerte, den arabischen Eigentümern von Haenel und Merkel. Gab es da etwa einen Wissens-Transfer? Liegt überhaupt ein Ideen-Klau vor? Völlig offen.

Informelle Hinweise

Klar ist nur, dass HK gegen Haenel wegen Patentrechtsverletzung klagt - es ein Urteil aber frühestens im Sommer gibt. Weshalb ein Gutachter bis Ende des Jahres dem Verteidigungsministerium attestieren soll, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Denn bei Patent-Problemen wäre jeder Lieferant wieder aus dem Rennen - so steht es in den Auftragsbedingungen der Armee.

Das wissen natürlich auch die Anhänger des traditionellen Schwarzwälder Bundeswehrlieferanten HK. Die deshalb schon vor der Klage, vor zwei Jahren, dem Bundeswehr-Beschaffungsamt informelle Hinweise zuspielten, dass da mit dem Haenel-Gewehr etwas nicht in Ordnung sein könnte. So musste es Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vorigen Freitag in geheimer Sitzung des Bundestags-Verteidigungsausschusses zugeben. Ja, man habe von den Vorwürfen gewusst. Sie aber nicht weiter verfolgt, weil Haenel ja in seiner Bewerbung versichert habe, dass es keine Ansprüche Dritter gebe. Sollte Haenel das wider besseres Wissen geschrieben haben, wäre das alleine ein Grund, die Suhler aus der Vergabe auszuschließen. Aber haben sie gelogen? Haenel beteuert, das Patent-Problem bezöge sich auf ein anderes Waffenmodell, nicht auf das für die Bundeswehr.

Alles riecht also nach einem langen Rechtsstreit "um Messer und Gabel der Soldaten ", wie es eine FDP-Abgeordnete mit Blick auf die Bedeutung eines funktionierenden Sturmgewehrs für die Truppe formulierte. Und zwar nicht nur vorm Patentgericht. Das Ministerium, sagt Heckler & Koch, soll den Suhlern durch unerlaubte nachträgliche Hinweise die Chance gegeben haben, noch am Preis zu drehen; auch von unfairen Vergleichstests war die Rede. Beides Vorwürfe, die das Ministerium zurückweist, die in HK-freundlichen Kreisen aber nach wie vor kursieren - und die erst mal rechtlich geprüft werden müssen.

Die Anzahl möglicher rechtlicher Risiken sei "immens", die Zustimmung des Bundestags zu einem solch unsicheren Geschäft fraglich, sagt der grüne Militärpolitiker Tobias Lindner. Er fordert, die Ausschreibung nicht nur wie jetzt zu pausieren, sondern komplett neu aufzurollen. Er bezweifele, ob das Ganze einer juristischen Überprüfung standhalten werde. "Es würde vermutlich nicht das beste oder wirtschaftlichste Sturmgewehr, sondern das Produkt gewinnen, dessen Hersteller die besseren Anwälte hat", zitiert ihn die "FAZ".

Kritik an AKK

Weil sich das Sturmgewehr-Wirrwarr einreihen lässt in die lange Liste militärischer Beschaffungs-Pannen, die auch Ministerin Kramp-Karrenbauer ("AKK") nicht in den Griff bekommt, weiß HK auch die zahlreichen Kritiker von AKK hinter sich. Auch Unions-Politiker sollen die Ministerin im Verteidigungsausschuss so sehr in die Mangel genommen haben, dass sie nach Sitzungsende unwirsch aus dem Saal eilte.

Die Ministerin hat das Verfahren zur Chefsache erklärt, wird also persönlich entscheiden, ob ihr Ministerium wie geplant bis zum Patent-Gutachten wartet, um über die Zukunft des Suhler Waffenauftrags zu entscheiden. Sicher scheint nur eines: Sie wird immer noch CDU-Vorsitzende sein, wenn sie den Daumen dafür hebt oder senkt.

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