Bahnnostalgie Familientag im Dampflokwerk

Meininger Dampfloktage als Eintags-Familienshow: Weniger Attraktionen, weniger Besucher und ein mulmiges Gefühl beim Blick in die Zukunft.

 
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Auf den ersten Blick ist alles fast wie immer: Wer will, kann stundenlang in der riesigen Werkhalle zwischen Dreh-, Bohr- und Fräsmaschinen auf Erkundungstour gehen, zwischen Stahlplatten, Rädern, Rohren, Kesselfragmenten, Kisten mit geschmiedeten Eisenteilen, Achsen, Feuerbüchsen, Lagern oder Treibstangen ein Zeitalter besichtigen, das längst zu Ende gegangen ist. Noch hält Meiningen die Fahne hoch für eine Technik von gestern, die nicht vergänglich scheint, weil sie so sehr zu begeistern vermag: Die Dampflok. Noch werden die schwarzen Maschinen in Meiningen repariert, noch kennen sich die Techniker im Dampflokwerk damit aus, noch sind die Dampfloktage im September ein traditioneller Termin, den Eisenbahnenthusiasten auch fernab des Werratals im Kalender stehen haben. Noch, wie gesagt. Und dennoch mag der ein oder andere beim in diesem Jahr zum „Familientag“ geschrumpften Event mit mulmigen Gefühl in die Zukunft geblickt haben.

Denn auf den zweiten Blick fehlte an diesem Samstag nicht nur die Technik zum Anfassen in gewohnter Opulenz, es fehlte auch an Begeisterung: Sicher, die werkseigene Lok 50 3501 stand auf dem Freigelände. Dazu die 41er Maschine der IGE Werrabahn aus Eisenach – die sonst immer mit dem Rodelblitz durch den Thüringer Wald dampfte – und die gerade frisch untersuchte 44er Lok der Arnstädter Eisenbahnfreunde. Die Eisenbahnfreunde aus Rottweil steuerten ihre 01 519 bei, die sächsische Pressnitztalbahn – kurz Press – ihre 01 0509 und zudem die Schmalspurlok 99 1715, auf der vor allem die kleinen Besucher mitfahren durften. Das war’s im Wesentlichen. Für Dampfloktage ein schmales Fahrzeugprogramm. Und noch etwas bleibt festzuhalten: Ohne das Engagement der Pressnitztalbahn, die als Eisenbahnbetriebsunternehmen mehrere Kleinbahnen in Ostdeutschland betreibt und auch Verkehrsleistungen erbringt, wäre dieser Familientag ziemlich dürftig gewesen. Selbst die Dampfbahn-Route Sachsen hatte einen großen Stand aufgebaut – das vom Freistaat Sachsen finanzierte Projekt bringt jährlich sogar ein Bahnnostalgie-Kursbuch heraus. Thüringer hatte nichts beizutragen – die Hoffnung vieler Eisenbahnfreunde auf eine Wiederbelebung des im letzten Jahr beerdigten Nostalgieprogramms schwinden, nachdem es die zuständigen Erfurter Ministerien offenbar nicht schaffen, einen Weg dafür zu finden.

Neben dem Dampflokwerk wartet noch immer das Dampflokmuseum auf Fertigstellung. Eröffnung vielleicht im Herbst kommenden Jahres, heißt es. Ein gefühltes Jahrhundertprojekt, bei dem noch ziemlich viel nicht klar ist. Die Vorfreude darauf wird nirgendwo beim Familientag geweckt – wäre das nicht die Gelegenheit gewesen, dem potenziellen Publikum mal richtig Dampf in Sachen Museum zu machen? Und dann wäre da ja auch noch die Frage nach der Zukunft des Dampflokwerks selbst, das bei der Deutschen Bahn – wie könnte es anders sein – als reines Wirtschaftsunternehmen geführt wird. Sichtbares Engagement der DB (nicht des Werks) beim Familientag: Gleich Null. Wie lange es das Werk noch gibt, wird vielfach diskutiert – auch am Samstag. Wer durch die Halle schlendert, dabei auf die einfallende, nicht mehr genutzte zweite Werkhalle dahinter mit ihrer wunderbaren Backsteinarchitektur schaut, den lässt ein morbides Gefühl nicht los. Wirtschaftliche Prosperität sieht irgendwie anders aus.

Vielleicht war es wirklich unmöglich, unter dem Corona-Damoklesschwert richtige Dampfloktage zu planen, mit Sonderzügen und Gästen aus halb Europa. Alleine, so richtig glauben wollen das die wenigsten. Und eines scheint klar an diesem Wochenende: Ein zweiter Familientag wäre für die Meininger Dampfloktage lebensbedrohlich.

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