Bad Salzungen Busfahrer: "Wir wurden einfach ins kalte Wasser geschmissen"

wei, Von
In den Ferien geht es am Busbahnhof in Bad Salzungen relativ ruhig zu. Das wird sich mit dem Schulanfang wieder ändern. Foto: Sascha Bühner Foto: Sascha Bühner

Das neue ÖPNV-Konzept mit Nahverkehrsplan und Fahrplan wurde von den Machern als das Allheilmittel des öffentlichen Personennahverkehrs gepriesen. Mit der Einführung folgte Ernüchterung.

 
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Bad Salzungen - Mindestens eine halbe Million Euro hat der Wartburgkreis für die Entwicklung des neuen ÖPNV-Konzeptes ausgegeben. Ziel: Der öffentliche Personennahverkehr sollte in die Zukunft geführt, effizienter und kundenfreundlicher werden. Der ländliche Raum sollte besser angebunden werden. Über alternative Bedienformen wurde immer wieder diskutiert.

Beginnend bereits im Jahr 2012 mussten viele Hürden gemeistert werden. Teure Konzepte wurden erarbeitet, Konzessionen vergeben und Linien wurden gebündelt. Eine neue Organisationsform musste her, die beiden Gesellschaften PNG (Personennahverkehrsgesellschaft Bad Salzungen ) und die Kommunale Verkehrsgesellschaft (KVG) wurden zusammengeführt und eine Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR) Wartburgmobil gegründet.

Stunde der Wahrheit

Nach vielen Jahren intensiver Arbeit schlug die Stunde der Wahrheit in diesem Jahr mit der Einführung der neuen Fahrpläne am 1. Mai in Eisenach und am 1. Juni im Regionalverkehr. Danach überall das gleiche Bild: Die Servicetelefone standen nicht still. Buskunden beschwerten sich zuhauf.

Im Regionalverkehr übersteigt die Zahl der Beschwerden heute die 1000. Selbst wenn eine gewisse Einführungszeit, wie von Landrat Reinhard Krebs (CDU) nach dem ersten Beschwerdeansturm betont, zugestanden wird, gibt es noch viele Baustellen. Die Lage hat sich zurzeit etwas beruhigt, weil Ferienzeit ist und somit der Schülerverkehr nicht bedient werden muss.

Natürlich haben sich auch einige Buskunden an das neue System gewöhnt. Es gebe mittlerweile sogar Lob für die 30-minütige Vertaktung im Stadtverkehr Bad Salzungen, berichten Busfahrer. Ob diese Vertaktung allerdings in den späten Abendstunden beziehungsweise am Wochenende so eng sein muss, bezweifeln sie.

"Wir fahren oft nur heiße Luft." Das gelte zu bestimmten Zeiten auch für den Stadtverkehr Bad Liebenstein oder die Linie 140 von Eisenach bis Bad Liebenstein, die 110 von Berlin/Leipzig/Erfurt, Eisenach über Vacha-Geisa bis Tann. Sie hätten noch keinen Fahrgast getroffen, der mit dem ICE aus Berlin kam, um mit dem Bus weiter bis nach Tann zu fahren. Bis Vacha und Geisa sei alles normal, danach gebe es nur selten Fahrgäste im Bus, so die Fahrer.

Fahrgäste verärgert

Dagegen würden langjährige Fahrgäste verärgert. Die langen Linien brächten kaum etwas. Kleinere Verbindungen seien weggefallen. Es gebe Frust bei den Steinbachern, die nicht mehr direkt nach Bad Liebenstein fahren können, und bei Hämbachern, die vormittags nicht mehr nach Tiefenort kommen. Wölferbütt sei ziemlich abgeschnitten. Die Verbindung von Dermbach nach Kaltennordheim sei fast gekappt worden. Dafür fahre völlig unnötig neunmal am Tag ein Bus von Kaltennordheim nach Klings. Zwischen Stadtlengsfeld und Gehaus seien die meisten Verbindungen gestrichen worden. Einige Fahrgäste kämen nicht mehr zur Arbeit, beispielsweise in Barchfeld. Ein Stadtlengsfelder, der in Eisenach arbeitet, komme nach der Arbeit nicht mehr nach Hause und müsse sich mit dem Auto abholen lassen, berichten die Fahrer.

Die Busfahrer müssen sich bis heut e viel anhören. "Bei uns laden die Menschen ihren Frust ab über weggefallenen Busse, veränderte Fahrzeiten, aufwendige Kassierung oder einen Fahrplan, den es nicht gibt, der zu spät gedruckt wurde und dann nur noch für den Papierkorb gut war, weil die Änderungen bereits in den ersten Tagen so gravierend waren, dass die Pläne nicht mehr ausgegeben werden konnten. Gerade für älterer Nutzer ein Riesenproblem, die nicht im Internet unterwegs sind und mit der Zettelwirtschaft nicht zurechtkommen.

Die Fahrer haben sich mit einem Beschwerdebrief an Geschäftsführer Horst Schauerte gewandt. Sie beklagen die fehlenden Fahrpläne, nicht funktionierende Aushänge, zu enge Taktzeiten, zu eng gestrickte Dienste und zu viele Dienste bei zu wenig Personal.

Im Juni mussten alle Bus fahren, die verfügbar waren, Rentner, Mitarbeiter in den Werkstätten, selbst die Fahrdienstleiter mussten hinter das Steuer. Es waren einfach zu viele Dienste, zu viele Stunden mit wenig Fahrzeit und Wartezeiten mitten in der Prärie ohne vernünftige Bedingungen, beispielsweise ohne Toilette. Teilweise sei es an die Grenzen der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten gegangen, so die Fahrer. Relativ viele Lehrfahrten und die Umsteigestellen bringen oft Zeitverluste und damit Stress und Frust in einer zu engen Taktung. Umsteigen am Ärztehaus in Bad Salzungen oder in Gumpelstadt gefalle nicht jedem und sei besonders für ältere Fahrgäste mit Rollator oder Rollstuhl oder die Mutter mit Kinderwagen beschwerlich. Für die Fahrer bedeutet das Stress, weil Zeit verloren geht. In der Taktung ebenfalls kaum Berücksichtigung gefunden hätten die vielen Baustellen, Verspätungen seien vorprogrammiert. Erschwerend komme zurzeit der Schienenersatzverkehr zwischen Bad Salzungen und Eisenach hinzu.

Fehlende Kommunikation

Die Busfahrer beklagen die fehlende Kommunikation: "Von der Geschäftsführung wurden wir trotz mehrfacher Aufforderung nicht über den Nahverkehrsplan und das neue Liniennetz informiert." Viele Fahrer wussten Ende Mai nicht, wie sie ab 1. Juni eingesetzt werden. "Wir wussten teilweise am Freitag nicht, ob wir am Wochenende Dienst haben." Für die Familien eine Katastrophe. Das sei einfache Mathematik, sind sich die Fahrer einig. Zu viele Dienste bei zu wenig Fahrern. Hinzu kommen zu viele Leerfahrten durch die Taktung. Dies habe nichts mit Umweltschutz oder Wirtschaftlichkeit zu tun.

Die Busfahrer sind sich einig, mit diesem Nahverkehrsplan, werde nicht an manchen Stellen wieder zurückgerudert, Fahrten minimiert, die Zahl der Dienste verringert, werde der ÖPNV teurer. Mit vier Millionen Euro kreislichen Zuschuss sei das neue System nicht finanzierbar

Die Geschäftsführung habe teilweise reagiert, berichten die Fahrer. Seit einer Woche gebe es wieder Wochenpläne, man habe zugesagt, Änderungen am Fahrplan vorzunehmen. Es habe ein Dankesschreiben der Geschäftsführung an alle Mitarbeiter gegeben. Als Anerkennung gebe es kostenlos Kaffee und Tankgutscheine für die Mitarbeiter seien angekündigt.

Auch habe man sich in der Ferienzeit bemüht, die Dienste der Fahrer besser einzuteilen. Weniger Stunden und mehr Fahrzeit, weniger Pausen im Umland. Aber es seien Ferien, die Hälfte der Busse müsse nicht bedient werden. Mit dem Schulanfang werde sich die Situation schlagartig wieder ändern. Und man müsse kein großer Rechner sein, um zu wissen, dass für diese Anzahl von Diensten nicht genügend Busfahrer zur Verfügung stehen, zumal einige in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen werden.

Auch jetzt gebe es keine Kommunikation mit den Beschäftigen. "So wie bei der Einführung des neuen Fahrplans bleiben wir auch bei den Änderungen wieder außen vor. Wir Fahrer hätten uns rechtzeitig eine Einweisung in die Dienste, die Fahrstrecken, Anschlüsse und Haltestellen gewünscht, vielleicht hätte sich dadurch so manche Änderung, die jetzt mit viel Aufwand realisiert werden muss, erübrigt."

Aber das Unternehmen habe die Fahrer zum 1. Juni einfach ins kalte Wasser geworfen. Das System funktioniere eigentlich nur, "weil die Arbeit den Weg zeigt", die Busfahrer sich in ihrer Not gegenseitig helfen, Tricks, Kniffe und Informationen zu den neuen Strecken an die Fahrer weitergeben, die sie heute fahren müssen.

Die Kommunikation im Unternehmen dürfe sich nicht nur auf die Erhöhung der Gehälter, Kaffee und Tankgutscheine beschränken. "Wir arbeiten nicht gegen die Geschäftsführung. Wir wollen gemeinsam als Dienstleister für die Bürger bei dieser Umstellung das bestmögliche Ergebnis erreichen. Deshalb hätten wir gern unsere Erfahrung in die Erarbeitung des neuen Fahrplans eingebracht und würden es auch jetzt in der Testphase tun" , so die Fahrer.

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