Astronomische Entdeckung Heidelberger Forscher finden uralte Bausteine der Milchstraße

Markus Brauer

Heidelberger Astronomen haben zwei Sternensysteme aufgespürt, die aus der Entstehungszeit der Milchstraße stammen. Sie verschmolzen vor 12 bis 13 Milliarden Jahren mit einem Vorläufer unserer Galaxie.

 
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Panoramablick auf die Milchstraße am Goa Cina Beach im indonesischen Malang. Foto: Imago/Pond5 Images

Die Milchstraße ist am Nachthimmel sichtbar als unregelmäßig breites, schwach milchig-helles Band über dem Firmament. Eine 360-Grad-Panorama-Aufnahme des Sternenhimmels zeigt sie als Bogen. Tatsächlich ist die Milchstraße eine Scheibe, die aus circa 100 bis 400 Milliarden Sternen besteht.

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Eine 360-Grad-Panorama-Aufnahme des Sternenhimmels über den Wolken zeigt die Milchstraße als einen Bogen. Foto: Imago/Pond5 Images

Kyati Malhan und Hans-Walter Rix vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg haben jetzt zwei Sternenpopulationen aus der Entstehungszeit der Milchstraße aufgespürt. Die beiden 12 bis 13 Milliarden Jahre alten Gebilde sind die Überbleibsel der ersten protogalaktischen Bausteine der „Milky Way“. Protogalaxien nennen Astronomen uralte Sternensysteme.

Noch bevor die Milchstraße ihre heutige Form angenommen hatte, verschmolzen die beiden Sternensysteme mit dem Vorläufer unserer Galaxie, wie die Forscher im Fachblatt „Astrophysical Journal“ berichten.

Uralte Bausteine der Milchstraße

Der Esa-Satellit Gaia hat einen gigantischen Datenschatz über rund 1,5 Milliarden Sterne in unserer Galaxie angesammelt. Foto: Esa

Vor rund 13 Milliarden Jahren bildete sich die Milchstraße durch die Verschmelzung mehrerer Vorgänger-Galaxien. Bis heute sind Sterne aus dieser ersten Frühzeit im Herze unserer Galaxie erhalten geblieben.

Nach dieser Protophase kam es zu weiteren, mindestens zehn kleineren und fünf größeren Verschmelzungen mit angrenzenden Sternenansammlungen. Die beiden Heidelberger Astronomen haben nun zwei uralte Bausteine der Milchstraße entdeckt. Dazu nutzten sie riesigen Datenmengen des europäischen Gaia-Weltraumteleskops und des Sloan Digital Sky Survey (SDSS).

Shakti und Shiva: Relikte aus der Entstehungsphase der Galaxie

Die zwei stellaren Gebilde, die sie Shakti und Shiva tauften, standen deshalb im Fokus der Forscher, weil sie sich deutlich von anderen Sternen unterschieden. „Das Eisen-zu-Wasserstoff-Verhältnis beider liegt deutlich unter der des ältesten, metallärmsten Teils der galaktischen Scheibe“, berichten die Astronomen. Sie bewegen sich mit einer ähnlicher Geschwindigkeit und einem ähnlich großen Drehimpuls um das Zentrum der Galaxie.

„Die Sternpopulationen von Shakti und Shiva besitzen unkonventionelle, spannende Eigenschaften, die zuvor noch in keiner anderen Substruktur der Milchstraße beobachtet wurden“, betonen Malhan und Rix. Es sei eine „ziemliche Herausforderung“, die wahre Natur und die Herkunft dieser stellaren Gebilde zu enträtseln.

Die gelben Punkte zeigen die Positionen von Sternen der Shakti-Population, blaue Punkte zeigen Sterne der Shiva-Gruppe. Foto: © ESA/Gaia/DPAC, K. Malhan/CC-by-sa 3.0 I/GO

Älter als elf Milliarden Jahre

Die verschiedenen Sternenpopulation der Milchstraße in einem Diagramm der Energie über der Position und Bewegung (links unten Shakti und Shiva). Foto: © ESA/Gaia/DPAC, K. Malhan et al. (2024), CC-by-sa 3.0 /IGO

„Die Milchstraße hat sich so stark verändert, seitdem diese Sternensysteme geboren wurden. Wir haben daher nicht erwartet, sie so klar als Gruppe zu erkennen. Aber die einzigartigen Daten des Gaia-Teleskops haben dies möglich gemacht“, erklärt Malhan. Die Untersuchungen ergaben, dass Shakti und Shiva deutlich älter als elf Milliarden Jahren sein müssen.

Nach Ansicht der Astronomen sprechen die Merkmale der beiden Sternenpopulation dafür, dass sie Überbleibsel der allerersten Grundbausteine der Milchstraße sind. „Sie repräsentieren zwei der frühen, massereichen Protogalaxien, die vor mehr als zwölf Milliarden Jahren mit der Milchstraße verschmolzen“, erläutern Malhan und Rix.

Zulieferer für junge Milchstraße

3D-Darstellung der Milchstraße, die hier deutlich als flache Scheibe zu erkennen ist.  Foto: © S. Payne-Wardenaar, K. Malhan/MPI für Astronomie

Diese Verschmelzung fand zu einer Zeit statt, als der Vorläufer unserer Galaxie noch nicht die typische Form einer Balkenspiralgalaxie mit ihrer flachen Scheibe hatte, die aus Hunderten von Milliarden Sternen besteht.

„Shakti und Shiva waren möglicherweise protogalaktische Fragmente, die sehr schnell und früh Sternen bildeten und heranwuchsen, ähnlich wie die Vorläufer des metallarmen Herzens der Milchstraße“, schreiben die Forscher. Weil diese frühen „Zulieferer“ für die noch junge Milchstraße weniger zentral in ihrem Herzen aufgingen, blieben Reste dieser Vorläufer bis heute erhalten.