100 Jahre Muttertag Ein Hoch auf alle Mütter

Am Sonntag ist Muttertag – mit Jubiläum in Deutschland. Es gibt mindestens 1000 Gründe, Müttern dankbar zu sein und sie zu ehren. Eine der berühmtesten Mütter hat ein 4700 Jahre altes Vorbild.

 
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Der Frauentag am 8. März ist in Berlin und seit diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern ein gesetzlicher Feiertag. Das scheint etwas übertrieben: Als Frau zur Welt zu kommen, ist ein schöner Zufall, noch dazu in einem fortschrittlichen Land wie Deutschland. Es gibt eine Million mehr Frauen als Männer in der Bundesrepublik und sie werden im Durchschnitt fast fünf Jahre älter als Männer.

Wer tatsächlich einen gesetzlichen Feiertag verdient hätte, wären die Mütter, an denen seit der Erschaffung der Welt wirklich alles hängt. Ihr Muttertag, der am Sonntag ansteht, wird dagegen als Kommerzkitsch kritisch beäugt. Vor 100 Jahren wurde er erstmals in Deutschland begangen.

Es fängt mit einer Binsenweisheit an: Jeder Mensch hat eine Mutter. Ohne Mütter keine Menschheit. Ohne Väter freilich auch nicht. Was die Väter aber nicht bieten können, sind die neun Monate im Mutterleib. Der mütterliche Organismus füttert den Embryo auch mit Informationen. Glückshormone strömen zum Ungeborenen, wenn Mutter sich entspannt oder freut. Stress spürt es aber auch. „Das Ungeborene nimmt die seelische Verfassung seiner Mutter wahr, es erspürt ihre Gedanken“, sagt Dr. Thomas Reinert der an der Klinik Velbert bei Wuppertal zu dem Thema forscht. Die Gefühle der werdenden Mutter prägen ihr Kind.

Nach der Geburt hat die Mutter wieder eine besondere Rolle. Die können zwar auch die Väter sehr gut erfüllen, aber machen wir uns nichts vor: In der menschlichen Gesellschaft landet die Aufgabe doch wieder bei der Mutter. Irgendwann hat sich die Natur entschieden, dass Muttertiere ihre Jungen bei Gefahr schützen. Bei Affen flüchtet ein Junges bei Gefahr nicht mehr möglichst weit weg vom angstauslösen den Reiz, sondern setzt alles daran, ohne Umwege die Mutter als Sicherheitsbasis zu erreichen. Hier erwartet es den effektivsten Schutz und auch Beruhigung. Beim Menschen ist es genauso.

Die Mutter spielt deshalb in den Religionen eine große Rolle. Vor 4700 Jahren erscheint die Göttin Isis bei den alten Ägyptern. Der Kult um sie verbreitete sich in ganz Europa und endete erst um das Jahr 500 – mit dem Siegeszug des Christentums.

Sie ist als himmlische Muttergestalt Betreuerin aller Wesen, die leiden oder in großer Sorge sind. „Ich bin Isis, der magische Geist, und ich habe mehr Weisheit als jeder andere Gott“, sagt sie. Daran hat sich bis heute nichts geändert. „Die Mutter hat doch immer Recht“, ist so ein Spruch, an dem mehr Wahrheit als Klischee klebt. Als Statue ist Isis oft mit einem Knaben dargestellt, dem sie die Brust gibt. Aus diesem Bild wurde später die Gottesmutter Maria, die im christlichen Glauben verehrt wird. Der Glauben an die Mutter ist also so stark, dass die Menschen ihn über die Jahrtausende in ihren Kulten verarbeiten.

Es ist eine universelle Erfahrung. Das Wort „Mutter“ klingt in vielen Sprachen gleich. Die antiken Römer sprachen von „mater“, russisch ist es „mat“, persisch „mādar“, alt-indisch „matar“, chinesisch „muqin“ oder „māma“ und bei den Indianern Südamerikas „mama“. Als die Tagesschau im April auf ihrer Internetseite aus einer Mutter eine „gebärende Person“ machte, stand das Land kurzzeitig Kopf – und der Eintrag musste geändert werden.

Mütter haben die Familien in Kriegszeiten beschützt, während sich Väter die Kugel gaben. Sie müssen in der Erziehung auch mal böse sein, während andere sich abducken. Sie sind der Elternteil mit dem geringeren Einkommen, weil sie auf Karrieren verzichten. Sie geben ihre Kinder nicht her, auch wenn die Beziehung scheitert. Mütter haben das größte Herz – und doch keinen richtigen Feiertag.

Muttertags-Lexikon

Es begann in Amerika
Der Muttertag in seiner heutigen Form wurde in der englischen und US-amerikanischen Frauenbewegung geprägt. Die US-Amerikanerin Ann Maria Reeves Jarvis versuchte 1865 eine Mütterbewegung namens Mothers Friendships Day zu gründen. An von ihr organisierten Mothers Day Meetings konnten Mütter sich zu aktuellen Fragen austauschen. 1870 wurde von Julia Ward Howe eine Mütter-Friedenstag-Initiative unter dem Schlagwort „peace and motherhood“ gestartet. Sie hatte das Ziel, dass die Söhne nicht mehr in Kriegen geopfert werden sollen.

Geburt des Gedenktages
Als Begründerin des heutigen Muttertags gilt die Methodistin Anna Marie Jarvis, die Tochter von Ann Maria Reeves Jarvis. Sie veranstaltete in Grafton (West Virginia, USA) am 12. Mai 1907, dem Sonntag nach dem zweiten Todestag ihrer Mutter, ein Memorial Mothers Day Meeting. Im folgenden Jahr wurde auf ihr Drängen hin wiederum am zweiten Maisonntag in der Methodistenkirche in Grafton allen Müttern eine Andacht gewidmet. 500 weiße Nelken ließ sie zum Ausdruck ihrer Liebe zu ihrer verstorbenen Mutter vor der örtlichen Kirche an andere Mütter austeilen. Sie widmete sich nun hauptberuflich dem Ziel, einen offiziellen Muttertag zu schaffen, und startete eine Initiative für die Einführung eines offiziellen Feiertags zu Ehren der Mütter, indem sie Briefe an Politiker, Geschäftsleute, Geistliche und Frauenvereine schrieb. Die Bewegung wuchs sehr rasch an. Bereits 1909 wurde der Muttertag in 45 Staaten der USA gefeiert. 1912 führten ihn die Methodisten in West Virginia ein. Am 8. Mai 1914 erließ der US-Kongress die Joint Resolution Designating the Second Sunday in May as Mother’s Day: Als Zeichen der Liebe und Verehrung der Mütter solle der 2. Sonntag im Mai als Muttertag gefeiert werden. Der Präsident der Vereinigten Staaten solle an diesem Tag die öffentlichen Gebäude beflaggen lassen; diesem Willen des Kongresses hat Präsident Woodrow Wilson noch im selben Jahr Folge geleistet. So wurde der Muttertag 1914 zum ersten Mal als nationaler Feiertag begangen.

Vor 100 Jahren in Deutschland
In Deutschland wurde der Muttertag 1922/1923 vom Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber mit Plakaten „Ehret die Mutter“ in den Schaufenstern etabliert und – betont unpolitisch – als Tag der Blumenwünsche gefeiert. Mit Plakaten in Schaufenstern, kleineren Werbekampagnen und Veranstaltungen bis hin zu Muttertagspoesie wurde dem ersten deutschen Muttertag am 13. Mai 1923 durch den Vorsitzenden des Verbandes, Rudolf Knauer, der Weg bereitet. Ab 1926 wurde die Propagierung des Muttertages an die Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung übertragen, um „Kirche und Schule zu gewinnen und die Regierung dahin zu bringen, den Muttertag am zweiten Sonntag im Mai als offiziellen Feiertag festzulegen“.

In der DDR
In der DDR wurde der Muttertag offiziell nicht begangen, stattdessen wurde der Internationale Frauentag am 8. März gefeiert.

Rechtliches
Der Muttertag ist nicht gesetzlich verankert, vielmehr basiert dessen Datum auf Übereinkünften von Wirtschaftsverbänden. Die Floristenverbände in Deutschland haben den zweiten Sonntag im Mai als Muttertag festgelegt, was dazu führt, dass Pfingstsonntag und Muttertag auf denselben Tag fallen, wenn Ostern spätestens am 26. März gefeiert wird. Zuletzt traf das für die Jahre 1978, 1989 und 2008 zu. Da einige Ländergesetze die Ladenöffnung am Pfingstsonntag untersagen, darf – so beschloss es der deutsche Einzelhandel 1949 – in solchen Fällen ein Ersatztermin gesucht werden.

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