Bayreuth - Es ist Sonntagabend und Eva Sengenberger ist bei ihrem Freund Andreas Griethe zu Besuch. Beide wohnen im gleichen Haus. Nur das Treppenhaus trennt die Wohnungen der beiden. Das Abendprogramm sieht eigentlich folgendes vor: Nur noch schnell in die Wanne steigen und dann gemeinsam das Testspiel der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Peru von der Couch aus verfolgen. Doch statt im Wohnzimmer findet sich Sengenberger kurze Zeit später in der Notaufnahme wieder.

"Bitte nicht auf den Kopf"

Was sich an diesem Sonntagabend im Badezimmer ereignet, beschreibt Sengenberger so: Sie habe gerade ein Bad genommen, als sie spürte, dass etwas von Decke rieselt. Sekunden später sei ein Riss in der Decke sichtbar geworden und Sengenberger habe ihren Freund gerufen. Dann sei ein Knarzen zu hören gewesen, das immer lauter geworden sei. „Wie wenn Schneemassen gegen etwas drücken“, sagt Sengenberger. Sie sei gerade mit einem Bein aus der Wanne gestiegen, da hätten bereits die ersten Brocken von der Decke auf Schulter, Rücken und Oberschenkel eingeschlagen. „Ich habe nur gedacht: Bitte nicht auf den Kopf“, sagt Sengenberger.

Das Gewicht der Trümmer aus Rigipsplatten und Zement, die seine Freundin trafen, schätzt ihr Freund auf fünf bis acht Kilo. Bilder, die Griethe noch am gleichen Abend gemacht hat, zeigen: Die größten Trümmer sind genau am Kopfende der Badewanne niedergegangen.

Dreieinhalb Wochen lang

Sengenberger sei im Anschluss in der Notaufnahme des Klinikums vorstellig geworden, habe Schürfwunden und Hämatome davon getragen. Wesentlich schlimmer sei aber die Sache mit dem Kopf, sagt Sengenberger und meint damit keine Verletzung, sondern ein Trauma. Im Wartezimmer eines Arztes habe sie sich umsetzen müssen, weil eine Tür geknarzt habe. Selbst in das eigene Badezimmer traue sie sich nur noch, nachdem sie vor dem Tritt über die Türschwelle die Decke inspiziert habe. Allgemein fühle sie sich in dem Haus nicht mehr wohl und sicher. Schon gar nicht, wenn die Schritte der Nachbarin aus der darüberliegenden Wohnung zu hören sind.

Dabei hatte sich das Unglück angedeutet, sagt Andreas Griethe. Er wirft dem Vermieter ein „vierwöchiges Vollversagen“ vor. Denn schon am 10. August und damit dreieinhalb Wochen vor dem Unglück habe er dem Vermieter einen Schaden an der Decke gemeldet. Damals hätten Handwerker beim Entkernen des darüberliegenden Bades mit schwerem Gerät zwei Löcher durch die Decke bis in Griethes Bad gestemmt. Die beiden Löcher, nur zwei Meter von der Stelle entfernt, von der am Sonntag die Decke stürzte, seien daraufhin provisorisch mit Bauschaum ausgefüllt worden.

Der Vermieter habe sich den Schaden fünf Tage später angeschaut und für ungefährlich befunden. Als dann dreieinhalb Wochen später die Decke auf Eva Sengenberger einprasselte, habe der Vermieter keinen Zusammenhang mit dem früheren Schaden erkennen wollen. Griethe glaubt aber, dass die beiden Löcher die Statik der gesamten Decke beschädigt haben. Andernfalls ließe der Vorfall für die Bausubstanz der über 110 Jahre alten Häuser entlang der Leibnizstraße nichts Gutes ahnen. Griethe findet, der Vermieter hätte das Bad zumindest umgehend sperren müssen. Das aber sei weder geschehen, nachdem die Bauarbeiter durch die Decke gestoßen seien, noch nachdem diese eingestürzt war. Griethes Vorwurf: „Man hat billigend in Kauf genommen, dass etwas passiert.“

"Ein Zusammenhang ist reine Spekulation"

Bei dem Vermieter handelt sich um das Siedlungswerk Nürnberg. Die Wohnungsbaugesellschaft gehört dem Freistaat. Martin Hopes, der technische Leiter des Siedlungswerks, sagt auf Nachfrage des Kuriers, der erste Schaden sei ihm nicht bekannt. Der zuständige Sachbearbeiter sei im Urlaub. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Schadensfällen sei nicht so einfach herstellbar und reine Spekulation. Die Gefahr, dass weitere Teile der Decke abstürzen, sei gestern Abend durch den Einbau einer Trockenbauplatte gebannt worden. Das Siedlungswerk werde Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen und alle in Frage kommenden Baddecken überprüfen.

Andreas Griethe will jetzt den Mietpreis mindern. Eva Sengenberger hat sich einen Anwalt genommen. Weniger, weil sie auf Schmerzensgeld aus sei, sondern weil sie sich am Verhalten des Vermieters störe. „In der Badewanne hätte auch ein Kind oder ein älterer Mensch liegen können“, sagt Sengenberger. Dann wäre der Unfall nicht so glimpflich ausgegangen.

Von Thorsten Gütling