"Und Erinnerung an meine zuvor exakt 2400 Nächte ohne Vorkommnisse auf Arbeit im Hotel, den ruhigen Feierabend danach hier unten."
Ein kleines, abstraktes Acrylbild holt Kai Hesbacher aus seinem Auto. Das hat er für den Hilfeverein seiner Heimatzeitung gemalt. Thema: Wasser - Fluch und Segen. So wie er können sich - neben vielen anderen Ilmenauern - auch Francis Bielert und Sylvia Schmidt ihre Versicherungsbescheide höchstens einrahmen.
Hätte Sylvia Schmidt vielleicht besser angegeben, ihr sei die Badewanne übergelaufen, die Leitung geplatzt? "Doch aus der kommt ja keine braune Fäkalbrühe geschossen. So wie sie aus meiner Toilette, während ich in Langewiesen in der Kulturfabrik half." Die Fünfzigjährige guckt kopfschüttelnd durch die große Scheibe ihrer kleinen aber bislang feinen Souterrain-Mietwohnung in der Goetheallee - von außen. Den Gestank innen ahnt man nur wegen der eingetrockneten bräunlichen Kruste auf hellen Bodenfliesen.
Eines aber stinkt der Kauffrau eines Erfurter Möbelhauses besonders. Die Wohnung, in die während kaum zwei Nutzungsjahren (bei 1200 Euro Vermittlungsprovision) so viel für schönes Wohnen investierte, sie bleibt für Sylvia verschlossen.
"Statt zeitweiligem Ersatzwohnraum bei Mietverhältnis-Fortbestand hier, diese Eigenbedarfs-Kündigung des Vermieters."
Während Sylvia in Ilmenaus Altstadt bei der Tochter aufgenommen wird, grübelt sie über vielerlei: Von der Post ihres Telefon-Anbieters, sie müsse bei beantragter außerordentlicher Kündigung "den Nachweis der Nichtnutzbarkeit des Anschlusses" beibringen, bis hin zu des Herrn Vermieters Satz: "Sie haben mein Mitgefühl!" Sylvia grinst bitter. Mitgefühl aber hatte zumindest ihr Arbeitgeber, der sie für viele schlimme Unwetterfolgen-Tage freistellte.
Ohne Job, nur von Grundsicherung und Kindergeld samt Obhut einer Betreuerin lebend: Im Parterre ihres soeben sanierten Plattenbaus in der Hertz-Straße teilt auch Francis B. das Versicherungs-Ablehnungs-Problem. "Sicherungsklappen gegen Abwasserrückstau? Die sind in Ilmenau nur Empfehlung, nicht aber Pflicht für Vermieter", so Sylvia mit Blick auf ihren eigenen und Francis' sowie viele andere Fälle.
Francis haust jetzt mit ihrem schulpflichtigen Söhnchen zwischen wenigen zusammengeborgten Altmöbeln, schläft auf gestapelten Matratzen. Als die sintflutartigen Güsse über den Kanalisationsrückstau ihr WC-Becken zum (Zitat) "Scheiße-Vulkan" machten, saugte sich sämtliches Mobilar mit Fäkalien und Wasser voll. Kleinen Trost habe sie aber, so Francis: "Im August kann ich aufhören, Chlorreiniger und Luft-Verbesserer in Massen ran zu schleppen. Wir ziehen dann hoch, in den hoffentlich sicheren dritten Stock."