Ein entsprechender Gesetzentwurf der drei Regierungsfraktionen werde in der nächsten Woche in erster Lesung im Landtag behandelt, kündigte der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Uwe Höhn, am Mittwoch in Erfurt an. Das Gesetz fasst das komplette Regelwerk für Einwohneranträge, Bürgerbegehren und -entscheide zusammen und ist nach Angaben des Bündnisses «Mehr Demokratie Thüringen» in seiner Form einmalig in Deutschland.

Die bislang geltenden Unterschriften-Quoren und Zustimmungs-Hürden sollen jedoch unangetastet bleiben. Für ein Bürgerbegehren müssen demnach weiterhin mindestens sieben Prozent der Wahlberechtigten stimmen. Bislang seien die Anforderungen für Bürgerbegehren komplizierter, höher und weniger zeitgemäß als die für Volksbegehren auf Landesebene, sagte Ralf-Uwe Beck vom Bündnis «Mehr Demokratie», das den Entwurf gemeinsam mit den drei Fraktionen erarbeitet hat.

Eine Vorreiterrolle übernehme Thüringen künftig unter anderem mit der Kostenerstattung für Initiativen in Gemeinden ab 10.000 Einwohnern. Der Betrag von zehn Cent pro gesammelter Stimme sei zwar eher symbolisch, drücke aber die Anerkennung ehrenamtlicher Arbeit aus, sagte Beck.

In Thüringen gibt es den Angaben zufolge pro Jahr etwa 15 neue Bürgerbegehren, von denen derzeit rund 20 Prozent für unzulässig erklärt werden. Der vorgelegte Gesetzentwurf sehe daher auch ein Recht auf Beratung der Initiativen in formalen Fragen durch das Landesverwaltungsamt vor, sagte Anja Müller von der Linksfraktion im Landtag.

Ausgebaut werden soll die direkte Demokratie unter anderem bei der Abwahl eines Bürgermeisters, die künftig auch mit Bürgerbegehren beantragt werden kann. Außerdem ist die Einführung sogenannter Ratsbegehren vorgesehen, bei dem Gemeinderäte mit Zwei-Drittel-Mehrheit selbst einen Bürgerentscheid ansetzen können.

Die Opposition sieht bei dem vorgestellten Entwurf Licht und Schatten. Die CDU-Fraktion lehnte unter anderem die Einführung des Ratsreferendums ab und kritisierte die vorgesehen Abschaffung der Unterschriftensammlung auf dem Amt (Amtseintragung). «Als Beruhigungsmittel für die ungeliebte Gebietsreform taugen die Vorschläge ganz sicher nicht», erklärte der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Manfred Scherer.

Die AfD-Fraktion sieht einen eklatanten Widerspruch zwischen der Stärkung der direkten Demokratie auf der kommunalen Ebene und einer ihrer Ansicht nach fehlenden Bürgerbeteiligung auf Landesebene. «Rot-Rot-Grün geht es um die Einflussnahme auf die kommunale Ebene, wo jegliche regionale Verankerung derzeit fehlt», monierte Fraktionsvize Olaf Kießling.

Laut SPD soll der Gesetzentwurf im Juni gemeinsam mit dem Vorschaltgesetz zur Gebietsreform verabschiedet werden, das die Eckwerte zu den künftigen Kreis- und Gemeindegrößen beinhaltet. dpa