Erfurt - Beim ersten Aufmarsch der selbst ernannten «Patriotischen Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes» (Pegada) in Erfurt sind Anhänger und Gegendemonstranten am Hauptbahnhof aggressiv aufeinandergetroffen. «Wir können nicht auseinanderhalten, wer Gegner, wer Befürworter ist», hatte ein Polizeisprecher zum Auftakt gesagt.

Von Anfang an war die Stimmung aufgeheizt: Laute Musik und das Abspielen ohrenbetäubender Maschinengewehrsalven aufseiten der Amerika-Kritiker, Sprechchöre und gellende Trillerpfeifen bei den Gegendemonstranten. Bei den hitzig geführten Debatten standen sich beide Seiten teils direkt gegenüber. Es kam zu einem Gerangel zwischen Teilnehmern, das von Polizisten beendet wurde. Bei anschließenden Straßenblockaden von etwa 200 Pegada-Gegnern seien zwei Polizisten leicht verletzt worden. Es gab sechs Strafanzeigen. Festgenommen wurde niemand.

Nach Polizeiangaben entfielen auf "Endgame" rund 1.000 Teilnehmer, auf die Gegendemonstranten unterwegs und am Domplatz rund 600. Beobachter sprachen von teilweise aggressiver und aufgeheizter Atmosphäre. Die Amerikagegner, die ihrer Veranstaltung die Namen "Pegada" und "Endgame" verliehen, mussten ihren geplanten Marsch über die Bahnhofstraße zum Domplatz wegen der dichten Menge der Gegendemonstranten aufgeben. Statt dessen liefen sie am Busbahnhof vorbei über den Juri-Gagarin-Ring und die Stauffenbergallee eine Schleife zum Bahnhof zurück, wo sie eine Kundgebung abhielten.

Als linke Jugendliche den Marsch der Amerika-Gegner an einer Engstelle nahe des Busbahnhofs durch Sitzblockaden blockierten, kam es fast zu einer Massenschlägerei. Die Polizei setzte Pfefferspray ein. Während des weiteren Marsches lieferten sich Linke, Rechte und Polizei mehrere Wettrennen, wobei die Polizei in der Regel der Sieger blieb. Für die Öffentlichkeit boten die Jagdszenen mitten in Erfurt einen höchst unerfreulichen und bedrohlichen Anblick.

Gleichzeitig kamen zahlreiche Gegendemonstranten, darunter Jusos, Gewerkschafter, linke Gruppen. Auch Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) schloss sich an. Die Evangelische Kirche hatte zu der Gegendemonstration aufgerufen. Die im Stadtrat vertretenen demokratischen Parteien waren dem Aufruf gefolgt und durch Stadträte, Fraktions-Chefs präsent. Sie werfen den Organisatoren der amerikafeindlichen Demonstration billigen Populismus und eine latente rechte Ideologie vor.

Nach Ansicht von Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und antifaschistischen Gruppen steckt hinter Pegada ein «kruder Zusammenschluss» von Verschwörungstheoretikern, Neonazis, gewaltbereite Hooligans. Pegada ist kein offizieller Ableger der Dresdner Pegida («Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes»). Der ähnliche Name sei aber bewusst gewählt worden.

Wie breit und verwirrend für Außenstehende das Spektrum der Pegada-Demonstranten war, zeigten neben Deutschlandfahnen mit herausgeschnittenem Reichsemblem auch Flaggen von Syrien und Russland. Auf Spruchbändern wurde vor den USA als Terrormacht, einem Bruch mit Russland oder einem dritten Weltkrieg gewarnt. Selbst der Schwur der Buchenwald-Häftlinge nach ihrer Befreiung 1945 zur Ausrottung des Faschismus mit seinen Wurzeln musste herhalten.

Für Passanten war nicht zu jeder Zeit gleich zu erkennen, wer zu welcher Gruppe gehörte. Während rechte Hooligans in "Nazis raus"-Rufe einstimmten, trugen Antifa-Aktivisten USA-Flaggen vor sich her. Gegendemonstranten mischten sich zumindest am Anfang auch immer wieder mit ihren Plakaten unter die Amerika-Gegner. Vertreter von der Partei "die Partei" reckten satirische Plakate in die Höhe und verkauften "Amerikaner zum Fressen für 1 Euro (zwei DM)".

"Endgame" - zu Deutsch Endspiel - ist eine weitere Abkürzung im zurzeit stark abkürzungs-mobilisierten Deutschland und steht für "Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas". Organisiert wurde "Endgame" von einer Gruppe, die sich Pegada nennt für "Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes". Die Anhänger fordern unter anderem den Austritt aus der NATO und drastische Reformen des Finanz- und Wirtschaftssystems. Es gibt aber auch deutliche inhaltliche Überschneidungen mit den Pegida-Demonstrationen. dpa/mdr/cob