Erfurt - Im Streit um die Gebietsreform hat die Thüringer Landesregierung einen Rückzieher gemacht. Die rot-rot-grüne Koalition nahm ihre Klage vor dem Verfassungsgericht gegen das Volksbegehren zurück. «Die Klage der Landesregierung hat sich mit der Nichtigkeit des Vorschaltgesetzes in der Sache erledigt», teilte Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) zu der Entscheidung des Kabinetts am Dienstag in Erfurt mit. Am vergangenen Freitag hatten die Verfassungsrichter in Weimar das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform aus formellen Gründen gekippt.

Mit dem Urteil ist inzwischen auch das Volksbegehren an sich obsolet, das sich gegen das Vorschaltgesetz richtete. Dennoch könne eine Entscheidung zur Frage des Finanzvorbehalts für die Zukunft wichtig sein, sagte die Vorsitzende des Vereins «Selbstverwaltung für Thüringen», Constance Möbius, der Deutschen Presse-Agentur. Das Verfassungsgericht erklärte, trotz der zurückgenommenen Klage über den Sachverhalt an diesem Mittwoch verhandeln zu wollen. «Der Termin findet statt», sagte eine Sprecherin des Verfassungsgerichts.

Nach der Thüringer Verfassung sind Volksbegehren nicht zulässig, wenn sie Haushaltsentscheidungen des Landtags angreifen. Das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform sah unter anderem Zahlungen von 155 Millionen Euro für freiwillige Gemeindefusionen vor. Rot-Rot-Grün - in der Vergangenheit stets Verfechter für mehr direkte Demokratie - machte daher verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Volksbegehren geltend. Möbius und ihre Mitstreiter argumentieren hingegen, dass die 155 Millionen Euro aus dem Vorschaltgesetz noch gar nicht von der Finanzplanung des Landes erfasst waren.

Laut Möbius haben bislang mehr als 110 000 Menschen den Bürgeraufruf gegen die rot-rot-grüne Gebietsreform unterzeichnet. Die Gegner hatten den Aufruf im März gestartet, nachdem die Landesregierung Klage gegen ihr Volksbegehren eingereicht hatte.

CDU-Fraktionschef Mike Mohring sagte, die Klage sei der dreiste Versuch gewesen, den Bürger mit einem fadenscheinigen Argument die Mitsprache in Sachen Gebietsreform zu verweigern. Rot-Rot-Grün habe nun leider der Mut verlassen, dieses Argument auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand zu stellen. «Es ist richtig, dass die Richter nun trotzdem hinschauen.»

Nach dem Scheitern des Vorschaltgesetzes hatte die Landesregierung erklärt, an der Reform festhalten zu wollen. «Wir suchen nach Wegen, um das jetzt zu ermöglichen», sagte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) nach der Kabinettssitzung. Zugleich deutete sie an, dass es aus ihrer Sicht dabei möglicherweise umfassende Änderungen an den bisherigen Pläne geben werde. «Man kann so eine Reform auch nicht gegen die Menschen machen.» Zudem ist der Zeitrahmen nun ungewiss.

Trotzdem sammeln die Gegner wie geplant bis 20. Juli weiter Unterschriften für ihren Bürgeraufruf. Als Ziel haben sie 200 000 Unterstützer ausgegeben. Und auch einen weiteren Anlauf für ein neues Volksbegehren zu einem späteren Zeitpunkt will Möbius nicht ausschließen: «Wir haben in den vergangenen Monaten sehr viel Erfahrung gesammelt.» dpa