Trophäe zerbrochen - ESC auch?
Sieger-Act Nemo (Name wie der Clownfisch aus dem Animationsfilm "Findet Nemo" von 2003) lebt in Berlin und identifiziert sich als nicht-binär ("Ich fühle mich weder als Mann noch als Frau"). Nemo zerbrach nach dem Sieg die Trophäe versehentlich auf der Bühne und bekam einen Ersatz-Preis. "Die Trophäe kann repariert werden - vielleicht braucht der ESC auch ein kleines bisschen Instandsetzung", sagte Nemo vieldeutig.
Was war bloß los? Das rund vierstündige ESC-Finale wurde immer wieder durch laute Buhrufe gestört. Es ging um Protest gegen das Teilnehmerland Israel und Unzufriedenheit mit der Entscheidung der Europäischen Rundfunkunion (EBU) als Veranstalter, Joost Klein ("Europapa") für die Niederlande im Finale zu sperren. Klein (26) war am Samstag kurzfristig disqualifiziert worden. Hintergrund waren laut niederländischem TV-Sender Avrotros Vorwürfe, er habe eine aggressive Geste gegenüber einer Kamerafrau gezeigt.
Der niederländische öffentlich-rechtliche Rundfunk reichte eine offizielle Beschwerde gegen den Beschluss ein. ESC-Chef Martin Österdahl erntete vor Beginn der traditionellen Punktevergabe der Jurys aus Teilnehmerländern Raunen und Buhrufe aus dem Publikum.
Proteste vor und in der Halle - Greta Thunberg abgeführt
Belastet war die Show vor allem durch israelfeindliche Proteste vor und in der Halle. Sie richteten sich gegen die Entscheidung der Veranstalter, Israel trotz des Gaza-Krieges mit bislang mehr als 34 000 toten Palästinensern antreten zu lassen. Diese Zahl nennt das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen. Der jüdische Staat reagierte mit dem Krieg auf die von palästinensischen Terroristen am 7. Oktober in Israel verübten Massaker. Kritiker werfen den Veranstaltern in dem Kontext Doppelmoral vor, weil die EBU Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine einst ausschloss.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, verurteilte die Proteste. "Es entspricht einem gängigen antisemitischen Muster, Israelis kollektiv in Haftung für Handlungen ihrer Regierung oder ihrer Armee zu nehmen, die sie oftmals selbst verurteilen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Tausende Menschen gingen auf die Straßen, das Polizeiaufgebot war groß. Überwiegend blieb es aber friedlich, so das Polizei-Fazit. Polizisten führten die Klimaaktivistin Greta Thunberg (21) mit anderen Demonstrierenden vom Platz vor der Arena ab, nachdem sich dort die Stimmung aufgeheizt hatte. Einsatzkräfte sperrten den Platz ab. Mehrere Störer wurden draußen festgenommen.
Auch aus dem Publikum in der Halle gab es immer wieder Protestrufe gegen Israels Act. Die Störversuche zogen sich durch den ganzen Abend. Schon beim Einzug der Nationen waren Pfiffe in der Halle zu hören, als die israelische Sängerin Eden Golan die Bühne betrat. Die 20-Jährige musste in Schweden die ganze Zeit massiv beschützt werden.
Schweizer Städte können sich nun bewerben
Beim Vortragen ihres Liedes "Hurricane" musste Golan später wieder Pfiffe und Buhs über sich ergehen lassen. Die Buhrufe wurden dann noch einmal lauter, als zur Punktevergabe der israelischen Jury geschaltet wurde. Deutschlands Fernsehpublikum vergab beim Televoting seine Höchstpunktzahlen an Israel (12), Kroatien (10) und die Ukraine (8).
Nächstes Jahr wird der ESC in der Schweiz sein. Als Austragungsorte wurden in den Medien Städte wie Zürich, Bern, Genf oder Basel genannt.