Das würde faktisch bedeuten, dass das Verfahren geplatzt wäre. Das Gericht hat darüber noch nicht entschieden. Die Bundesanwaltschaft widersprach dem Antrag.

Borchert begründete seinen Vorstoß damit, er habe keinen Zugang zu den vollständigen Prozessakten erhalten. Das Gericht habe ihm die Akten nur digital auf CD übersandt. Er habe darauf vertraut, dass sie komplett seien. Allerdings habe das Gericht vor wenigen Wochen in einem Beschluss erklärt, die Vollständigkeit der digitalen Bestände sei nicht garantiert. Darum verlange er die Übersendung der kompletten, rund 200.000 Seiten umfassenden Aktensammlung in seine Kanzlei. Er rechnete vor, dass es etwa zwei Jahre dauere, bis er alle Unterlagen abgeglichen habe.

Bundesanwalt Herbert Diemer erwiderte, Borchert könne die Originalakte jederzeit im Gericht einsehen. Den von Borchert geltend gemachten zeitlichen Aufwand nannte Diemer «utopisch». Der Anwalt müsse seine «Kanzlei so organisieren, dass er die Mandate, die er annimmt, auch bewältigen kann.»

Zuvor hatte das Gericht einen Ermittler des Bundeskriminalamts als Zeugen vernommen. Der Beamte hatte Mitglieder einer Rotlicht- und Drogenbande in Jena vernommen, die in den 1990er Jahren die Szene um das spätere NSU-Trio bewaffnet haben soll.

Einer der Männer habe ausgesagt, er habe mit Mitgliedern der Neonazi-Szene zu tun gehabt. Einer der Bandenchefs soll Uwe Mundlos 1997 Geld geliehen haben - wenige Monate, bevor Mundlos mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den Untergrund abtauchte. Die beiden Anführer der Bande - Zwillingsbrüder - hätten dagegen auch nach Verhängung von Zwangsgeldern keine Fragen beantwortet.

Im Mai jährt sich der Beginn des NSU-Prozesses zum dritten Mal. Die einzige Überlebende des Trios, Beate Zschäpe, ist wegen der Verbrechen angeklagt, die dem NSU zur Last gelegt werden. Dazu gehören zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge aus überwiegend rassistischen Motiven. Kommende Woche legt das Gericht eine Pause ein. Nächster Verhandlungstermin ist der 10. Mai.

Am Rande wurde bekannt, dass ein V-Mann-Führer des Verfassungsschutzes in Brandenburg erneut als Zeuge geladen wurde. Die Verteidiger des mitangeklagten Ralf Wohlleben beantragten außerdem, den früheren Thüringer Neonazi-Anführer Tino Brandt erneut zu vernehmen. Es «dränge sich auf», dass Brandt den Kauf der Mordwaffe vom Typ «Ceska» finanziert habe. Brandt war jahrelang als V-Mann für den thüringischen Verfassungsschutz tätig und ist wegen Kindesmissbrauchs inhaftiert. dpa