Geisa/Rasdorf - Am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit wird traditionell zum Festakt in die Gedenkstätte Point Alpha eingeladen. In diesem Jahr stand der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung im Mittelpunkt. Die Festrede am Freitag hielt ein Zeitzeuge, der selbst sehr aktiv daran beteiligt war: Dr. Rudolf Seiters war von 1989 bis 1991 in Bonn Bundesminister für besondere Angelegenheiten und Staatskanzleichef bei Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU).

Vor dem Festakt legte Seiters mit Dr. Babette Winter (SPD, Thüringer Staatssekretärin für Europa und Kultur), Fuldas Landrat Bernd Woide, Wartburgkreis-Landrat Reinhard Krebs, dem Landtagsabgeordneten und Point-Alpha-Fördervereinsvorsitzenden Raymond Walk und dem Fuldaer Kreistagsvorsitzenden Franz Rupprecht (alle CDU) am Denkmal der deutschen Teilung und Wiedervereinigung Kränze nieder. Unterstützt wurden sie dabei von der Kyffhäuser- und Reservistenkameradschaft Rasdorf.

"Der 3. Oktober 1990 wäre ohne den Herbst 1989 nicht denkbar, das mindert aber seine Bedeutung in keiner Weise", sagte Prof. Dr. Hans-Joachim Jentsch, Stiftungsratsvorsitzender des Point Alpha Stiftung. Das Bekenntnis zur Wiedervereinigung sei die eine, die Umsetzung die andere Seite gewesen. Die vier Worte "Wir sind das Volk" war nicht ein von Profis einer Werbeagentur geschaffener Slogan, "sondern das Empfinden der versammelten Menschen, und es erschütterte einen Kontinent", erklärte Jentsch. Vielleicht habe dieser Ruf ein bisschen dazu beigetragen, dass im Herbst 89 nicht geschossen wurde. Der Stiftungsratsvorsitzende sprach sich dafür aus, auch den 17. Juni 1953, Beginn des Volksaufstandes in der DDR, zum Gedenktag zu erklären. Denn nach diesem Tag habe festgestanden, dass die Diktatur in der DDR keine Zukunft habe, nur die Restlaufzeit sei damals noch nicht bekannt gewesen. Jentsch wies auf die Gefahr hin, dass Freiheit und Recht in einem Land verdrängt werden können. Davor sei auch das wiedervereinte Deutschland nicht gefeit. Wichtig sei es deshalb, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen und zu handeln.

Der US-Brigadegeneral Phillip Shane Jolly würdigte die "Helden der friedlichen Revolution", die ein neues Kapitel in der Weltgeschichte einläuteten. "Sie benutzten keine Waffen, dennoch riskierten sie ihr Leben, denn niemand konnte wissen, wie die kommunistischen Machthaber reagieren würden", sagte Jolly. Die Wiedervereinigung bezeichnete er als "fantastische Leistung". "Sie haben ihr Land wiedervereint, nicht durch die Kraft von Kanonen und Panzern, sondern durch eine viel größere Kraft, die Kraft der Ideale von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie", erklärte er.

Rudolf Seiters erinnerte an den 30. September 1989, als er gemeinsam mit dem damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) auf dem Balkon der Prager Botschaft stand. Genscher verkündete den Flüchtlingen aus der DDR, dass ihre Ausreise in die Bundesrepublik nun geregelt sei. "Der 30. September markiert den Beginn des Unterganges der DDR", sagte Seiters. Denn die Ausreise der Flüchtlinge habe der DDR keine Entlastung gebracht, sondern sei die Vorstufe gewesen zum Bruch aller Dämme. Der zweite historische Tag sei der 9. November 1989 gewesen, von dem die ganze Welt und auch er selbst überrascht gewesen waren. "Ging damals mit der Wiedervereinigung nicht alles zu schnell, hätten wir warten sollen?" fragte Rudolf Seiters und beantwortete seine Frage mit "Nein". Die Mehrheit der Menschen in der DDR habe die schnelle Einheit gewollt, und auch weltpolitisch habe sich nur für kurze Zeit ein Fenster aufgetan, das die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichte. Schon ein Jahr später wäre das viel schwieriger geworden. "Ich halte es im Nachhinein noch immer fast für ein Wunder, dass diese Entwicklung, dieser Umbruch, diese Revolution so friedlich verlaufen ist", erklärte Rudolf Seiters. Wer in diesem Zusammenhang die Leistung der deutschen Politik nicht richtig würdigen wolle, der sollte nicht nur betrachten, was geschehen ist, sondern auch, was an Fehlern vermieden wurde. Viele kluge, aber auch weniger kluge Ratschläge habe es damals gegeben, aber kein Vorbild.

Manchmal werde er gefragt, wann die innere Einheit vollendet, der Prozess der Angleichung der Lebensverhältnisse vollständig abgeschlossen sei. "Vollendet ist der Weg zur inneren Einheit eines Volkes wahrscheinlich nie, und absolute Gleichheit der Lebensverhältnisse kann es auch nicht geben", sagte Seiters. Es gebe nicht nur 5,5 Millionen Menschen, die in den letzten Jahren von Ost nach West, sondern auch 4,4 Millionen Menschen, die von West nach Ost gingen, gab er zu bedenken.

"Mir ist nochmal klar geworden, was wir für ein Glück hatten mit der Wiedervereinigung, denn es war keine Selbstverständlichkeit", erklärte Volker Bausch, Direktor der Point Alpha Stiftung. Respekt müsse man den Politikern von damals zollen, und die Geschichte habe gezeigt, dass die Entscheidung damals richtig gewesen sei. Musikalisch wurde der Festakt vom Polizeimusikkorps Thüringen unter Leitung von André Weih umrahmt. sach