Sinsheim/Suhl - "Eine rote S 51 - das gleiche Modell, das ich gefahren habe, steht auch in der Halle", kommt Holger Hamann ins Schwärmen. Der 45-Jährige ist Technischer Leiter im Sinsheimer Museum in Baden-Württemberg und stammt aus Stendal. Auch einer seiner Technik-Kollegen aus dem Schwestern-Museum Speyer kennt die Suhler Vögel. Der gebürtige Leipziger fuhr Star und Spatz. "Klar, dass man da schon vor der Schau in Erinnerungen schwelgt", sagt Hamann, dessen Techniker-Team den Suhlern in den vergangenen Tagen vor Ort tatkräftig zur Seite stand.

Denn viel Zeit hatten Joachim Scheibe und Jürgen Schwanitz vom Fahrzeugmuseum Suhl sowie Friedrich Döring und Marc Frömberg von der MZA GmbH nicht, um die mitgebrachten oder von Händlern angelieferten 62 Simson-Zweiräder optisch ansprechend zu drapieren. AWO, S 51 sowie Rennmaschinen und natürlich Schwalbe sowie die ganze Vogelserie aus der Suhler Produktion folgten einer Kreidler-Sonderausstellung sozusagen im fliegenden Wechsel. Erst zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung der Simson-Schau wurde die Ausstellungsfläche unter den Schwingen der Überschallflieger Concorde und TU 144 frei und sofort umgebaut.

Ein Kraftakt? "Natürlich war es anstrengend", gesteht Joachim Scheibe. "Aber wenn einem etwas Spaß macht, dann beklagt man sich doch nicht darüber", sagt er und lacht. "Wir sind hier so toll aufgenommen und unterstützt worden. Im Sinsheimer Team wird nicht viel geredet, da wird gemacht. Die Techniker hatten Ideen und Tricks für den Aufbau. Über Nacht war gleich mal eine Wand gestrichen. Die Putzfrauen haben uns die Räder aus der Hand genommen und die Speichen zum Blinken gebracht. Wir haben überall offene Türen gefunden", bedankt er sich. Auch bei Markus Weinstock. Der Sinsheimer Marketing-Chef, der für Sonderausstellungen verantwortlich ist, hat all die Tage nicht nur gemanagt, sondern kräftig mit angepackt.

Erste tolle Besucherreaktionen erlebte schon während des Aufbaus MZA-Mann Marc Frömberg: "Der Bereich war nicht abgesperrt. Da schaut der ein oder andere schon mal, was hier aufgebaut wird und staunt darüber, dass Simson doch mehr ist als Schwalbe." Das hört Friedrich Döring vom MZA in Suhl gern. Bei ihm, der immer wieder mal in Sinsheim angeklopft hatte, ob denn nicht auch Suhler Schmuckstücke in das Technik-Museum passten, klingelt im Herbst 2014 in Suhl das Telefon. Marketing-Mann Weinstock fragt an. Das riesige Interesse am großen Schwalbe-Jubliäum war auch den Sinsheimern nicht entgangen. "Noch bevor ich meinen Chef überhaupt gefragt hatte, sagte ich JA zu einer Schau", so Döring. "Doch nur Schwalben, das wäre zu kurz gegriffen." Und schon die ersten Besucherreaktionen zeigen, dass es richtig war, die ganze Breite der Produktpalette aufzugreifen.

Suhler Diamanten und ein prunkvoller Einzug

"Schwer beeindruckt" vom Technik-Museum Sinsheim und der neuen Schau zeigte sich auch Suhls Oberbürgermeister Jens Triebel. Er, der gemeinsam mit den drei Vätern von Schwalbe & Co im Simson Supra-Auto zur Eröffnung kam, sei "stolz, dass die Diamanten, die wir zu bieten haben, in Sinsheim zu sehen sind." Und im Supra, "einer der Suhler Perlen vorzufahren, ist ja wohl ein prunkvoller Einzug." Für die Perle allerdings war der ein oder andere Kurvenradius zwischen den Exponaten zu eng. Das hat der OB selbst während der sehr kurzen Fahrt gemerkt.

"Ich hoffe doch, dass die Suhler Fahrzeuge dem Museum in Sinsheim statt der bisher eine Million Besucher, in diesem Jahr 1,5 Millionen bescheren", sagt Triebel lachend und "zugegeben hochnäsig". Er lobte die gelungene Partnerschaft zwischen zwei Museen, die sich der Technik verschrieben haben. Vor allem aber hält er die Schau für ein super Schaufenster der Stadt. Auf den Werbeeffekt setzt auch Joachim Scheibe: "Wenn nur eine halbe Million Sinsheim-Besucher die Simsons und Suhl bewusst wahrnehmen, dann wirkt das."

Supra zwischen Benz und Porsche

Die ganz große Überraschung an diesem Abend ist für Hermann Layher, den Präsidenten des großen Technik-Museums, allerdings der vierrädrige Supra von Gerhard Hess aus Suhl. Zur Eröffnung steht das Auto kurzfristig zwischen Benz und Porsche und lässt doch das Herz des Oldtimer-Fans Layher höher schlagen. "Von dem bin ich ja begeistert", sagt er und gibt zu, dass ihm bislang nicht bewusst war, dass Suhl auch Autos baute. Die Simson-Zweiräder waren ihm, der selbst Motorrad-Rennen fuhr, geläufiger. "Die erste bewusste Begegnung mit einer Schwalbe aber hatte ich vor zehn Jahren. Die hat sich ein Schulfreund von mir, der eigentlich auf Harleys steht, restauriert. In Porsche-Rot. Inzwischen redet der fünf Minuten über Harleys und schwadroniert eine halbe Stunde über die Schwalbe." Das begeistert auch Layher, der die Ausstellung in seinem Museum vor allem auch als Hommage an die Konstrukteure sieht. "Und während es bei so vielen Hobbys Nachwuchsprobleme gibt, gilt das bei Simson-Bastlern ja wohl nicht. Die Schwalbe bringt viele junge Leute mit Technik in Verbindung." Der Präsident selbst ist aber noch nie auf einer Schwalbe gefahren. "Mein Freund hat zu große Angst, dass ich seine zerkratze."

Mit eigenen Entwicklungen ist auch die jüngere Generation in Sinsheim vertreten. Jan Schäffer aus Zwickau begann als 16-Jähriger an Simson-Zweirädern rumzutüffteln. Heute ist er 34 und tut das beruflich. In seiner Firma "Langtuning" hat er inzwischen sieben Angestellte und "verkauft alles, was die Simsons schneller macht". Kunden hat er in der ganzen Bundesrepublik. Aber auch nach Neuseeland und Amerika wurden bereits Tuningteile versandt. In Sinsheim zeigt seine Firma übrigens den "Stärksten Simson-Motor der Welt". Auf 46 PS haben sie dabei einem normalen Motor "unter Zuhilfe-Nahme japanischer Rennsportteile gebracht. Und der Motor hält seit Jahren", feixt Jan. Denn ausgefahren wurde die Sensation noch nie. Das Fahrzeug, das er für Beschleunigungsrennen bauen will, ist seit vier Jahren in Planung.

Interesse an der Simson-Schau zeigt auch das Fernsehen. Pünktlich zur Eröffnung berichtete der Südwestrundfunk (SWR) in einem Beitrag. Am Vortag wurde dafür fast vier Stunden lang gefilmt. Am Abend selbst waren etwa 150 Gäste in der Museums-Halle 2 um bis spät zu staunen und zu fachsimpeln. Auch als die Suhler Delegation längst wieder im Bus nach Hause fuhr. Die meisten kamen an diesem Abend aus Baden-Württemberg und Umgebung.

Konstrukteure von detailreichen Umbauten begeistert

Begeistert von so manchem detailreichen Umbau zeigten sich übrigens die sonst so zurückhaltenden Suhler Konstrukteure Ehrhard Werner, Georg Schübel und Karl-Heinz Walther. Besonders die Harley-Schwalbe von Edwin Eichhorst aus Fulda hat es den dreien angetan. Über Fransen, weichem Harley-Sitz, Getriebekonstruktion und Anhänger werden fast alle Details begutachtet. Und die eindeutige Antwort der Schwalbe-Väter auf die Reporter-Frage nach Kunst oder Kitsch lautet übereinstimmend: "Kunst". Und es ist ihnen auch der Stolz darüber anzusehen, dass ihre Arbeiten so viele Jahre später in einem der größten deutschen Technik-Museen präsentiert werden. "Wir sind damals gedrängt worden, etwas zu bauen was lange hält, aber dass der Boom so lange währt bzw. wieder kommt, das hätten wir damals nicht erwartet", sagt Erhard Werner. Und fügt an: "Wir haben halt doch was Gutes gebaut."

Bis zum Januar 2016 ist die Schau bis Sinsheim zu sehen. Ob es nun 62 oder wie von einem Eröffnungsgast gezählt nur 56 Fahrzeuge sind (um die Schau luftiger zu gestalten wurden einzelne wieder entnommen), ist fast egal. Fest steht, dass auch über die Sonderausstellung hinaus Suhler Simson-Zweiräder im großen Technik-Museum vertreten sein werden. "Schwalbe & Co. sind uns doch jetzt schon so vertraut", sagt Markus Weinstock.

Die Sonderschau zum Suhler Fahrzeugbau "Simson Schwalbe & Co." ist vom 1. März 2015 bis zum 10. Januar 2016 zu sehen.