Eisenach/Lauf "Osse" im Club der 70er

Liane Reißmüller

In seiner ihm typischen, dynamischen Art öffnet Rainer Osmann am Montag die Tür zum Club der 70er. Die Thüringer Handball-Legende erhält aus ganze Europa Glückwünsche, auch wenn er seinen Geburtstag wegen Corona nicht feiert.

 
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Eisenach/Lauf - Akribisch, wie er sein ganzes Leben gestaltete, bereitete Rainer "Osse" Osmann auch die Feier zu seinem 70. Geburtstag vor. Viele seiner Freunde sollten mit ihm feiern. Die Corona-Pandemie durchkreuzte die Pläne des neuen Mitgliedes im Kreise der 70-Jährigen. Nur kurz trauert der lebenslustige Eise-nacher dieser Chance nach, an seinem Ehrentag alle Freunde an seiner Seite zu haben. Für ihn steht die Gesundheit aller im Vordergrund. Und so klingelt das Telefon bei Osmanns in seiner fränkischen Wahlheimat Lauf schier pausenlos.

Von Kindesbeinen an zeigte sich Rainer Os mann dem kleinen, runden Leder verbunden. Als Junge spielte er auch Fußball, aber Handball faszinierte ihn. Mit seinen 70 Lenzen ist er noch genauso verliebt in diesen Sport wie zu Beginn seiner Laufbahn. In Stregda, einem kleinen Eisenacher Vorort, aufgewachsen, nahm er als Junge wahr, dass die Eisenacher Handballer große Erfolge feierten. Das motivierte den vielseitigen Sportler, sich der damaligen BSG Motor anzuschließen. Mittlerweile sind es 55 Jahre, die er in der Mitgliederliste der BSG, aus der später der ThSV hervorging, geführt wird.

Trainer wie Horst Schmidt, Max Wehner und Hans-Joachim Ursinus prägten den Spielgestalter. Von den deutschen Feldhandballmeistern wie Frieder Singwald oder Horst Erhardt lernte er die Kunst des Spielens mit dem kleinen Ball. Auf fast allen Positionen fühlte sich Rainer Osmann wohl. Nur Torhüter, "nein, das war nichts für mich - niemals. Mir war das Wort Angst nie fremd", gesteht er lachend. "Osse" überzeugte als Spieler und als Mensch. Bis zu seinem Karriereende trug er die Kapitänsbinde. Bei aller Zielstrebigkeit gehörte er nie zu den Kindern von Traurigkeit. Es entstand so manche Anekdote, über die er und seine Weggefährten noch heute herzhaft lachen.

Reflektiert darauf, sich ganz seiner Frau Gudrun, Tochter Gritt und seinem Beruf zu widmen, sollte der Sport ad acta gelegt werden. Es dauerte nicht lange, bis er merkte, dass ihm auch das Traineramt Spaß und Erfüllung bringt. Bis zur politischen Wende als Co-Trainer bei der BSG Motor aktiv, eröffnete Rainer Osmann danach ein Versicherungsbüro. Gedanken, als Profitrainer tätig zu sein, gab es nicht. Doch als es 1992 um seinen Verein, mittlerweile als ThSV Eisenach in der zweiten Bundesliga spielend, sportlich und wirtschaftlich nicht zum Besten stand und ein Abstieg drohte, kam er als Cheftrainer zurück. Der Klassenverbleib gelang. Mit engagierten Mitstreitern wie Helmut von Moltke und Frank Seidenzahl als Präsident und Thomas Dröge, den Osmann als Manager von Suhl nach Eisenach lockte, fand sein Lieblingsverein zurück in die Spur.

Gesicht der besten Zeit

Am 19. April 1997 feierte Rainer Osmann seinen größten Erfolg als Trainer. Nach einer Serie von 53:1 Punkten stand nach dem 26:21-Erfolg gegen die MT Melsungen der Aufstieg in die Beletage des deutschen Handballs vorzeitig fest. Zum zweiten Male trug "Osse" dazu bei, dass durch den Handball das Ansehen der Stadt Eisenach in ganz Deutschland wuchs. Die "Osman(n)en" zwangen in heimischer Halle so manchen Favoriten wie den SC Magdeburg, TBV Lemgo, den THW Kiel oder den VfL Gummersbach in die Knie. Es bleibt die vorerst erfolgreichste Zeit des ThSV. Nun war er es, der Spieler formte. Den Eisenacher Stefan Just entwickelte er vom Jugend- zum Nationalspieler, Rückraumspieler Jörn Schläger erhielt seine Chance in der Nationalmannschaft und nicht zuletzt Weltklasse-Rechtsaußen Stephane Joulin (Frankreich) lernte vom Thüringer. Als seinen wertvollsten Spieler, den er trainierte, nennt er Titel Raduta, den rumänischen Linkshänder.

Im Jahr seines 50. Geburtstages traf auch ThSV-Legende Rainer Osmann der Mechanismus des Profisportes. Nach der Heimspielniederlage gegen die HSG Dutenhofen, heute als HSG Wetzlar in der ersten Liga fest etabliert, kam im Herbst 2000 das Aus für das Eisenacher Urgestein als Trainer. Eine der bittersten Niederlagen für den Mann, der als "Gesicht" der erfolgreichsten Zeit des Eisenacher Handballs steht.

Sein Wissen und seine Akribie sorgten dafür, dass er nicht lange ohne Trainerjob blieb. Nach einem kurzen Engagement beim Zweitbundesligisten CSG Erlangen folgten sieben Jahre (2001 bis 2008), in denen Rainer Osmann als österreichischer Handball-Nationaltrainer fungierte. Er leistete viel Aufbauarbeit im Land der Wintersportler und führte die Alpenländer erstmals bei Welt- und Europameisterschaften auf die große internationale Bühne. Er selbst zählt diese Zeit zu seinen schönsten Jahren, in denen er viele neue Freunde fand und in 100 Länderspielen Erfahrungen sammelte, die er nicht missen möchte. Die Freundschaften mit Verantwortlichen aus dem Verband und einigen Spielern, die heute als Funktionäre bei Bundesligisten bekannt sind (Viktor Szilagi als Geschäftsführer beim Serienmeister und Championsleague-Gewinner THW Kiel, oder David Szlesak, Geschäftsführer des Europäischen Handball-Föderation), blieben.

Für ein Jahr fungierte der A-Lizenz-Trainer als Cheftrainer bei der deutschen Juniorinnen-Auswahl, mit der er 2009 die EM auf Rang vier beendete. "Ich war stolz darauf, für den größten Handball-Verband tätig sein zu dürfen", erzählt Rainer Osmann, der im gleichen Jahr vom Deutschen Handball-Verband das Vertrauen erhielt, das Amt des Cheftrainers der Frauennationalmannschaft zu übernehmen, und schloss die WM auf Rang sieben ab. "In dieser Zeit lernte ich Heiner Brand näher kennen". Es entstand eine enge Freundschaft. Ein gesundheitliches Tief beendete die Trainerkarriere von "Osse".

Zu seinen Eigenschaften zählt seine Bodenständigkeit. "Ich reiste und reise gern, komme aber immer gern wieder nach Hause", gesteht der Neu-70er. Beim ThSV Eisenach erfuhr er für sein Lebenswerk zwei Ehrungen. Der Aufnahme in die "Hall of Fame" folgte die Berufung in den Ehrenrat des Vereins. Nicht nur wegen seiner Funktion im Ehrenrat pflegt Rainer Osmann die Kontakte zu den Verantwortlichen des Vereins, der einen wesentlichen Teil seines Lebens mitprägte.

Vor gut sechs Jahren zog es ihn mit seiner Frau ins fränkische Lauf nahe Nürnberg. "Wir wollten mehr bei meiner Tochter und ihrer Familie sein und ihnen unter die Arme greife", erklärt Osse. Seine drei Enkel sind genauso sportlich. Oft absolviert er mit ihnen Trainingseinheiten, die sich bereits ausgezahlt haben. Er selbst läuft regelmäßig mindestens eine Stunde, fährt Rad. "Weil die Strecken ganz schön anstrengend sind, habe ich ein E-Bike", verrät er mit verschmitztem Lächeln.

Weltoffen fanden Osmanns schnell neue Freunde. Einer von ihnen ist Thüringens Fußball-Legende Hans Meyer, der in Nürnberg lebt. Oft treffen sich Osse und der Ex-Coach von Borussia Mönchengladbach, fachsimpeln über die aktuellen Sportereignisse oder plaudern über vergangene Zeiten. In den Handball-Hallen in Deutschland und Europa ist Rainer Osmann ein gern gesehener Gast. Beim Bundesligisten HC Erlangen gastiert er, wenn sein Enkel Anton ihn bittet. Für alle Sportarten offen, schaut er gelegentlich bei den Nürnberger Ice Tigers vorbei.

Spenden statt Geschenke

In all den Jahren im harten Profigeschäft ist Rainer Osmann Mensch geblieben, verlor nie den Blick für sein Umfeld und für die Probleme in der Welt. Gemeinsam mit seiner Frau Gudrun engagiert er sich deshalb außerhalb des Sportes vor allem für die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft. "Es muss gelingen, dass auf unserer Erde keine Kinder hungern oder gar wegen des fehlenden Essens sterben", betont er mit ernster Miene. Er bat seine Gäste, von Geschenken abzusehen und stattdessen zu spenden. Auch wenn die Geburtstagsfeier ausfällt, seine Freunde werden ihm diesen Wunsch erfüllen, weil sie wissen, wie wichtig ihm das ist und weil er ihnen wichtig ist.

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