Erfurt - Relativ zur Zahl der Einwohner betrachtet, registrierte die Polizei 2014 nur in Berlin und Brandenburg mehr rechtsextremistische Straftaten als in Thüringen. Auf 100.000 Einwohner kamen demnach im Freistaat im vergangenen Jahr 2,27 Delikte, die von der Polizei der „politisch motivierten Kriminalität – rechts“ zugeordnet wurden, heißt es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke). Diese sogenannte Häufigkeitszahl lag 2014 für Berlin bei 2,81, für Brandenburg bei 2,98.

Auch für die anderen ostdeutschen Bundesländer lagen die Werte deutlich über denen der meisten westdeutschen Länder. In Sachsen und Sachsen-Anhalt kamen demnach im vergangenen Jahr jeweils 2,05 rechtsmotivierte Straftaten auf 100.000 Einwohner; in Mecklenburg-Vorpommern waren es 2,19 je 100.000 Einwohner. Die niedrigsten Häufigkeitszahlen bei derartigen Straftaten erreichten das Saarland und Baden-Württemberg mit 0,2 und 0,22. Häufig handelt es sich bei solchen Straftaten um Propagandadelikte wie das Verwenden von Hakenkreuzen, Beleidigungen oder Körperverletzungen.

Anders als Parlamentarier der Linken und Vertreter der Beratungsorganisation gegen Rechtsextremismus Mobit, warnte ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums am Donnerstag in Erfurt davor, die Zahlen zu überinterpretieren. Häufigkeitszahlen seien statistische Werte, argumentierte er. Wichtiger für die Lebenswirklichkeit in Thüringen sei, dass die absolute Zahl der rechtsmotivierten Straftaten im Land laut der polizeilichen Kriminalstatistik des Freistaats zuletzt gesunken sei.

Den Daten nach erfasste die Thüringer Polizei 2014 genau 1.060 rechtsmotivierte Delikte, im Jahr zuvor waren es 1.083, 2012 noch 1.146 gewesen. Zudem verwies der Sprecher auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag vom Juni zu ausländerfeindlichen Straftaten im April. Danach hat es damals in Thüringen 19 rechtsmotivierte Straftaten gegeben, darunter keine Gewaltstraftat. In Bayern seien es dagegen im April 93, in Baden-Württemberg 60 rechte Straftaten gewesen, darunter vier beziehungsweise eine Gewalttat. „Thüringen ist im Kampf gegen Rechtsextremismus gut aufgestellt“, sagte der Sprecher.

Die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König zeigte sich dagegen besorgt von der relativ zur Bevölkerung hohen Zahl der rechtsmotivierten Straftaten in Thüringen. Die Daten seien ein Ausdruck dafür, dass rechtsmotivierte Gewalttaten inzwischen häufig nicht mehr nur von organisierten Rechtsextremen verübt würden. Vielmehr finde ein wesentlicher Teil rechter Gewalt inzwischen im Alltag, „aus dem Affekt heraus“ statt. Der jüngste Angriff auf indische Studenten in Jena sei ein gutes Beispiel dafür, sagte König.

Ein Sprecher von Mobit sagte, in Thüringen werde zu häufig übersehen, wie allgegenwärtig rechtsmotivierte Straftaten seien. Dass zuletzt so viel über die rechte Terrorzelle NSU gesprochen worden sei, verstelle manchmal den Blick darauf, wie weit verbreitete entsprechende Einstellungen in der Gesellschaft seien.