Erfurt - Fachleute haben davor gewarnt, Gefährdungen durch Islamisten in Thüringen zu unterschätzen. Der Islamismus sei teilweise eine neue Subkultur unter Jugendlichen geworden, sagte der Sozialwissenschaftler Matthias Quent. Er hat an einer Analyse des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus der Hochschule zur Bedrohung der demokratischen Kultur in Thüringen mitgearbeitet.

«In bestimmten Regionen ist der Islamismus der neue Rechtsextremismus», sagte Quent. Die von ihm miterstellte Analyse fordert deshalb auch vom Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, auf solche Gefährdungen zu reagieren und ihnen vorzubeugen.

Kürzlich hatte auch der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, radikale Islamisten als ernstzunehmende Bedrohung für den Freistaat bezeichnet. In einem Interview mit «Spiegel Online» sagte er, bei den Beobachtungsobjekten des Inlandsnachrichtendienstes stehe zwar der Rechtsextremismus «auf der Hitliste ganz oben». Dann folge aber bereits «der Islamismus und dann – mit weitem Abstand – der Linksextremismus».

Dass auch in Thüringen – trotz der nur geringen Zahl von Muslimen im Freistaat – die Gefahr von Islamismus nicht nur theoretisch ist und sich auch junge Thüringer vom radikalen Islam angezogen fühlen, zeigt das Beispiel einer damals 18-jährigen Erfurterin. Sie war im Frühjahr 2015 nach Syrien gereist und schloss sich dort mutmaßlich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden, ist sie inzwischen mit einem IS-Kämpfer verheiratet. Sie soll sich über das Internet radikalisiert haben.

Die Bedrohungsanalyse der Friedrich-Schiller-Universität war im Auftrag der rot-rot-grünen Landesregierung erstellt worden und soll die Grundlage zur Fortschreibung des Landesprogramms für Demokratie bilden. In dem Papier heißt es auch, die Flüchtlingskrise begünstige die Gefährdung der Demokratie durch den Islamismus. Flüchtlings aus Syrien beispielsweise seien «in einem Staat und in einer Kultur aufgewachsen, der durch die religiösen Gesetze des Islam geprägt ist». Bei ihnen bestehe die Gefahr, dass sie Andersdenkende, Frauen und Nicht-Heterosexuelle diskriminierten. Solchen Diskriminierungen durch Präventionsarbeit vorzubeugen, müsse daher in Zukunft auch Aufgabe des Landesprogramms sein. Es soll auf Grundlage der aktualisierten Bedrohungsanalyse fortgeschrieben werden.

Die Thüringer CDU hatte nach ihrer Winterklausur im Januar bereits den Einsatz von V-Leuten in Flüchtlingsunterkünften im Freistaat gefordert, um gegen radikale Islamisten unter Flüchtlingen vorzugehen. Aus Kreisen von Linke, SPD und Grünen war die Union für diese Forderung massiv kritisiert worden. Rot-Rot-Grün hat den Einsatz von V-Leuten durch den Verfassungsschutz stark eingeschränkt.