Düsseldorf/Detmold Wenn Wandern sogar die Lachmuskeln trainiert

Florentine Dame

Mit sogenannten Gesundheitswanderungen zielt der Deutsche Wanderverband auf Sofakartoffeln und ältere Wandereinsteiger. Mit wenig Training und viel Spaß kann man so einiges erreichen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Nur noch wenige Tage wie diesen braucht Gila Böhm, dann darf sie sich mit dem Goldenen Wanderabzeichen schmücken. "Es klingt vielleicht albern, aber es tut mir gut, dass ich mir solche Ziele setze und sehe, dass ich sie erreiche", sagt die 82-Jährige. Mit 15 anderen Senioren ist sie unterwegs im Naturschutzgebiet Urdenbacher Kämpe im Düsseldorfer Süden. Gemeinsam wandern sie einmal in der Woche bis zu sechs Kilometer.

Gesundheitswandern in Thüringen

"Gesundheitswandern in Thüringen? Das ist unser großes Sorgenkind", sagt Christina Reißig, Sprecherin des Thüringer Wanderverbands. Denn es fehlen ausgebildete Gesundheitswanderführer im Land. Es gebe zwar einzelne, die in ihren jeweiligen Gebieten aktiv seien. Doch grundsätzlich nennt Reißig die Situation "nicht zufriedenstellend". Die Ausbildung zum Gesundheitswanderführer sei "sehr umfangreich und schwer". Außerdem könnten sich Vereine die geführten Wanderungen zum Teil auch finanziell nicht leisten. Was auch deswegen schade sei, weil sogar Krankenkassen vergäben Bonuspunkte dafür vergeben.

Gesundheitswanderungen also gibt es in Thüringen noch zu wenige - Reißig empfiehlt, sich dennoch an der frischen Luft zu bewegen, loszuwandern, allerdings ohne die Übungen des Gesundheitswanderns auszuführen. "Die sollte man nur unter fachlicher Anleitung eines Physiotherapeuten machen", sagt sie. Sie sieht den allgemeinen Trend zu mehr Gesundheitsbewusstsein nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für den Wanderverband als positiv: "Ich hoffe, dass wir dadurch auch mehr Anwärter auf die Ausbildung zum Gesundheitswanderer finden." ap

Wandertipps zu "Südthüringens schönsten Aussichten" aus unserer beliebten Leser-Aktion gibt's nun gesammelt: Als praktischer Ausflugsführer im handlichen Kompakt-Format - erhältlich in den Geschäftsstellen Ihrer Zeitung:

Südthüringens schönste Aussichten. Heft 1 (West): 15 Ausblicke und Ausflüge in Rhön und Werratal. 68 Seiten, 4,95 Euro.

Doch es geht nicht darum, Strecke zu machen: Immer wieder halten sie auf ihrer Tour an, machen Kräftigungsübungen, Balance- und Gedächtnistraining. "Und wir trainieren die Lachmuskeln", sagt ein Teilnehmer. Gesundheitswandern heißt diese Light-Version des Volkssports.

Die rüstige Rentnergruppe aus Düsseldorf wird angeleitet von Otto Bremm. Er gehört zu den ersten Gesundheitswanderführern, die der Deutscher Wanderverband (DWV) seit 2009 geschult hat. Seit vielen Jahren betreut er mehrere Gruppen.

Deutschlandweit haben sich in den vergangenen Jahren inzwischen 755 Gesundheitswanderführer zertifizieren lassen. Das in den Startjahren vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Programm zielt dabei weniger auf den passionierten Wanderer mit dem Anspruch, Berge zu erklimmen oder Kilometer zu machen.

Gesundheitswandern richtet sich eher an Einsteiger oder jene, die durch zunehmende Gebrechen zum Ausstieg aus dem Sport gezwungen wurden. Im Schnitt spricht das Programm dem DWV zufolge Senioren über 60 Jahren an, in der Mehrheit sind es Frauen.

Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Wunsch, etwas für die Gesundheit zu tun, zu den wichtigsten Motiven von Wanderern zählt, sagt Christine Merkel vom Wanderverband. "Gesundheitswandern soll da ein niedrigschwelliges Angebot sein", sagt die DWV-Mitarbeiterin für den Bereich. Die vergleichsweise kurzen Strecken überfordern auch Sportmuffel nicht, Tempo und Übungen richten sich nach Bedürfnissen der Teilnehmer.

Auch viele in der Düsseldorfer Wandertruppe bringen allerlei Einschränkungen mit, wie Otto Bremm sagt: Hüft- und Bypass-OPs oder Stürze liegen hinter ihnen. "Aber die Krankheiten spielen hier selten eine Rolle." Stattdessen wird viel gelacht: Über Helmuts schöne Waden, die er ganz schön anstrengen muss, um auf einem Bein stehend die Balance zu halten. Oder über das lustige Bild, das die Teilnehmer bei einer Koordinationsübung abgeben, wild mit den Armen rudernd. "Mir tut die Gruppe gut", sagt Wanderer Hartmut Fligge. Er habe früher eher argwöhnisch auf Sport geschaut. "Vereinssport, nein danke, war eher mein Motto", sagt der 69-Jährige.

Der gesundheitsfördernde Nutzen des wohldosierten Wanderns mit Unterwegs-Übungen ist sogar wissenschaftlich belegt. Er sei erstaunt gewesen über die hohe Wirksamkeit nach nur wenigen Wochen, sagt Prof. Kuno Hottenrott von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Der Blutdruck der Probanden sank demnach, ihre Ausdauer verbesserte sich ebenso wie die Koordinationsfähigkeit. "Deswegen überzeugt ein Angebot wie das Gesundheitswandern auch sehr viele - gerade für Sporteinsteiger ideal", sagt der Sportwissenschaftler. Anders als etwa beim Joggen könnten auch Ungeübte hier schnell Erfolge erzielen. "Niemand muss sich körperlich überfordern am Anfang, sondern man kann das Gehtempo und die Strecke langsam steigern", sagt Hottenrott.

Bilder