Voriges Jahr wurden laut Gesundheitsministerium 586 erlegte Tiere untersucht und bei fast jedem zehnten der Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm überschritten. Ein Ende des Problems sei nicht abzusehen, da sich die Cäsium-Belastung nur alle 30 Jahre halbiere, sagt die Leiterin des Referats für Lebensmittelüberwachung, Karin Schindler.

Wildschweine sind laut Schindler deswegen stärker betroffen als andere Wildtiere, weil sie im Waldboden wühlen, wo sich das Cäsium besonders lange hält. «Sie nehmen dabei in großem Umfang Pilzmyzel auf, in dem sich Cäsium besonders stark anreichert.» Wildschweine, die in dichten Waldgebieten leben, sind daher stärker betroffen als diejenigen, die sich verstärkt auf Wiesen und Feldern rumtreiben.

Untersucht werden aber nicht alle geschossenen Wildschweine. Vielmehr gibt es ein abgestuftes System mit Schwerpunktgebieten, in denen alle Tiere getestet werden müssen, Jagdbezirken, in denen nur Stichproben von jedem fünften Tier untersucht werden und den übrigen Landesteilen mit noch kleineren Stichproben, erläutert Schindler. Zu den Schwerpunkten gehörten Gebiete im Thüringer Wald, vor allem in den Landkreisen Hildburghausen, Gotha und dem Ilm-Kreis.

Die Untersuchungen werden erst fällig, wenn das Fleisch verkauft oder verschenkt werden soll, erläuterte Schindler. Erlegt ein Jäger ein Tier für den eigenen Verzehr, ist das nicht nötig. «600 Becquerel ist ein sehr niedriger Grenzwert. Wenn man das einmal isst, ist das kein Problem.»

Obwohl laut Schindler das mit Cäsium angereicherte Pilzmyzel zur erhöhten Radioaktivität von Wildschweinfleisch beiträgt, können die Pilze aus Thüringens Wäldern nach ihrer Einschätzung trotzde ohne Bedenken gegessen werden. Nach dem Atomunfall von Tschernobyl seien viele Jahre Pilze für amtliche Untersuchungen gesammelt worden. Seit etwa zehn Jahren würden aber keine Kontrolleure mehr in den Wald geschickt, weil die gemessenen Werte niedrig waren und heimische Pilze ohnehin nur in der Saison und nicht in übermäßigen Mengen gegessen werden, sagt die Expertin. Zudem darf im Wald nur für den eigenen Verzehr gesammelt werden, so dass diese Pilze nicht in den Handel gelangen. dpa

Becquerel

Die nach dem französischen Physiker Antoine Henri Becquerel benannte Einheit gibt an, wie stark die Radioaktivität einer bestimmten Substanzmenge ist. Die Definition ist einfach: Eine radioaktive Substanz hat eine Aktivität von einem Becquerel (1 Bq), wenn darin pro Sekunde ein Atom zerfällt.

In Deutschland gibt es einen amtlichen Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm eines Lebensmittels. So viel Radioaktivität dürfen die Menschen also mit der Nahrung aufnehmen. Nur für Milch und Babynahrung gibt es einen strengeren Grenzwert: 370 Becquerel pro Kilogramm.

Bis einschließlich 1985 war die Maßeinheit für Radioaktivität das Curie, wobei ein Curie genau 37 Milliarden Becquerel entspricht.

Wenn es um die biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen von Radioaktivität auf den Menschen geht, kommt die Einheit Sievert ins Spiel, die nach dem schwedischen Mediziner und Physiker Rolf Sievert benannt wurde.