Erfurt Thüringer dürfen sich wieder uneingeschränkt treffen

Die Gäste sind zahlreich vorhanden, aber Mitarbeiter in der Gastronomie sind schwer zu finden. Eine Männergruppe stößt im Biergarten eines Wirtshauses an der Isar mit Weißbiergläsern an. Foto: Matthias Balk

Thüringen ist das erste Bundesland, in dem die Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden. Doch mit Brandenburg zieht bereits ab Montag ein weiteres Land nach. Wie es andernorts damit weitergeht, könnte auch bei einem Treffen von Bund und Ländern eine Rolle spielen.

 
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Familienfeiern, Essen in größeren Runden, Anstoßen bei bestandenen Prüfungen: In Thüringen sind solche Zusammenkünfte seit Samstag wieder möglich. Als erstes Bundesland hat der Freistaat seine Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie beendet und aufgehoben. Bislang durften sich in Thüringen nur Menschen von maximal zwei Haushalten treffen. Nun gelten nur noch Empfehlungen: Man soll sich mit nicht mehr als einem weiteren Haushalt oder zehn weiteren Menschen treffen. Daran gibt es Kritik, auch in Thüringen selbst.

In anderen Bundesländern drohen bei Verstößen Bußgelder. Wer sich in Thüringen nicht an die Empfehlungen hält, muss mit keinerlei Konsequenzen rechnen. Bayern nannte den Weg des kleinen Nachbarlandes «unverantwortlich», auch Hessen reagierte skeptisch. Brandenburg hingegen zog am Freitag nach: Ab Montag fallen auch in diesem Bundesland die Kontaktbeschränkungen. Abstands- und Hygieneregeln aber bleiben - wie in Thüringen auch.

In vielen Bundesländern gelten Kontaktbeschränkungen noch bis mindestens Ende Juni. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte vor gut drei Wochen bundesweit für Aufregung gesorgt, als er ankündigte, den Bürgern wieder mehr Eigenverantwortung zutrauen und von Verboten zu Geboten übergehen zu wollen. Auch wenn diese Richtung mit dem Ende der Kontaktbeschränkungen nun eingeschlagen ist - alle Freiheiten haben auch die Thüringer noch nicht zurück.

Im öffentlichen Personenverkehr wie Bus, Bahn oder Tram müssen die Menschen weiterhin Masken tragen, genauso in Geschäften und Supermärkten. Diskotheken und Bordelle bleiben geschlossen. Ausladende Familienfeiern mit mehr als 30 Menschen in geschlossenen Räumen oder mehr als 75 Menschen unter freiem Himmel müssen bei der jeweiligen Kommune zwei Tage im Voraus angemeldet werden. Auch für Festivals stehen die Chancen nach Angaben von Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) eher schlecht - auch wenn es neuerdings prinzipiell möglich ist, dafür Ausnahmegenehmigungen zu beantragen.

Weit weniger kritisch als in anderen Ländern wird Ramelows Weg von der Opposition in Thüringen gesehen. Die CDU kritisiert zwar die neue Grundverordnung als zu bürokratisch und moniert bestimmte Regeln für Gastronomie und Hotellerie. Mit der Aufhebung der Kontaktbeschränkungen ist sie aber einverstanden. «Angesichts der dauerhaft niedrigen Fallzahlen halten wir die Beendigung der Kontaktbeschränkungen in Thüringen für richtig», erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl.

Auch die AfD-Fraktion ist für die Aufhebung der Kontaktbeschränkungen. Ihr gehen die Lockerungen aber insgesamt nicht weit genug, und sie fordert, auch die Maskenpflicht zu beenden. Dies sei überfällig, sagte ein Sprecher der Fraktion.

Als «verfrüht» kritisierte Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) dagegen das Ende der Kontaktbeschränkungen. Die Verordnung sei mutig, sagte er in einer Videobotschaft zum Wochenende.

«Nur ist das eine Art Mut, dessen Nachbar der Leichtsinn ist.» Jena war in der Corona-Pandemie bundesweit Vorreiter in Sachen Maskenpflicht. Es sei zwar gut, die Eigenverantwortung der Bürger zu stärken, betonte Nitzsche. Er befürchte aber, dass Corona-Leugner und Masken-Gegner die neuen Freiheiten ausnutzen werden. «Die Disziplin vieler (...) kann durch die Nichtdisziplin einiger weniger unterlaufen und am Ende komplett ausgehebelt werden. Und wir haben keine Handhabe dagegen.»

Zuvor hatte der thüringische Landkreistag die neue Grundverordnung sowie die Verordnung des Bildungsministeriums kritisiert. Sie müssten schnellstens überarbeitet und den realen Bedingungen vor Ort angepasst werden, hieß es.

Viel Kritik gibt es auch daran, dass Kontaktdaten von Gästen in Gaststätten sowie von Besuchern öffentlicher Veranstaltungen und Einrichtungen erfasst werden müssen. Deswegen haben die KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora ihre Ausstellungen und historischen Gebäude vorerst geschlossen. Auch der Bauernverband sprach von einem enormen bürokratischen Aufwand für Hofläden und Fleischereien mit Imbissangebot.

Gesundheitsministerin Werner verteidigte die Regelung am Samstag in einem Video auf Twitter. «Mehr Lockerung bedeutet, dass auch die Gefahr von Infektion steigt», betonte sie. Deswegen sei es wichtig, dass im Ernstfall Infektionsketten schnell unterbrochen werden können. Dafür seien die Kontaktdaten wichtig.
In der nächsten Woche sprechen erneut die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Corona-Pandemie. dpa

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