Deswegen hat er sich mit Gewerkschaftern der IG Metall an einen Tisch gesetzt, einen Haustarif ausgehandelt und die betriebliche Leistungszulage auf bis zu zehn Prozent des Bruttolohns erhöht. Die verschiedenen Arbeitsplätze und Aufgaben seien neuen Lohngruppen zugeordnet worden. 2020 werde es eine weitere Steigerung geben, wenn die nächste Stufe des Plans greife. "Jeder hat jetzt spürbar mehr auf dem Konto, wenn die Lohnüberweisung kommt", sagt Bremer. Diese Beträge bewegten sich demnach zwischen 170 und 300 Euro.
Die Höhe der Zulage errechne sich nach einem Punktesystem, nach dem die jeweiligen Vorgesetzten ihre Mitarbeiter einstuften. Diese erfahren in persönlichen Gesprächen, in welchen Punkten sie sich verbessert oder verschlechtert haben. Und: "Jeder weiß, was der andere verdient, wir haben keine Geheimnisse mehr", so Bremer. "So stelle ich mir ein Unternehmen vor, das sich nach vorne entwickeln soll."
Ein Erfolgsmodell, findet Lutz Koscielsky, Vize-Präsident der Handwerkskammer Südthüringen. Er betont zwar, dass etwa 90 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Südthüringen ihre Fachkräfte und Mitarbeiter fair bezahlten - die konstanten Mitgliederzahlen in der Handwerkskammer sprechen dafür. Doch außergewöhnlich am Beispiel Versbach sei, dass der Tarifvertrag gemeinsam mit der IG Metall geschlossen worden sei. Weil die Handwerkskammer sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber vertritt, achte man auch dort auf Interessenausgleich.
Später, bei der Betriebsversammlung in der Kantine, wird Harald Bremer seine Worte aus dem Pressegespräch ähnlich noch mal wählen. Dass es am Arbeitgeber liege, auf Betriebsrat, Mitarbeiter und Gewerkschafter zuzugehen. Ohne Frontenbildung. Denn nur wer miteinander rede, könne Lösungen finden. "Es geht um die Sache. Das sollten wir beibehalten, dann werden wir nie größere Probleme kriegen." Und das sei auch die Grundlage, um nachzuholen, was in der Vergangenheit versäumt wurde.
Wenn man Reiner Grebner - Metallbauer, seit 27 Jahren in der Firma - direkt fragt, dann sagt er, dass das jetzt die beste Zeit seiner ganzen Betriebszugehörigkeit sei. "Personell und hinsichtlich der Investitionen ging es schrittweise bergab vorher", erzählt der 58-Jährige. Trotzdem ist er dageblieben. Weil er sich unter den Kollegen wohlgefühlt hat, aber auch, weil es keine Alternative gab. "Als der neue Geschäftsführer kam und sich vorgestellt hat, hatte ich sofort ein gutes Gefühl", sagt er heute. "Jetzt wird investiert, es gibt neue Produktpaletten, es werden neue Schienen gefahren. Das macht Mut für die Zukunft."
Bewegung
Auch Betriebsrat und Metallbauer Thomas Schmalz bestätigt das positive Miteinander, seit Harald Bremer den Betrieb leitet. "Wir haben das Gefühl, dass sich etwas bewegt. Was er angeleiert hat: Da sieht man, dass er es wirklich will." Es habe Kollegen gegeben, erzählt er, die zuvor für 10,50 Euro in der Stunde gearbeitet hätten. Nun liege der Lohn bei etwa 12 Euro. "Wir haben Gewissheit, Kontinuität."
Freilich aber kann nicht alles perfekt sein, wenn Interessen aufeinandertreffen, Kompromisse geschlossen werden müssen. Und so sagt Thomas Schmalz auch, dass zwar die Ungerechtigkeiten bei den Löhnen beseitigt worden seien, aber eben nicht jeder die gleiche Leistung bringe. Das Wort "Leistungszulage" sei irreführend. "In meinen Augen hat das nämlich nichts mit Leistung zu tun, sondern eher mit Eigenschaften wie Pünktlichkeit oder Zuverlässigkeit." Dennoch: Der Betrieb hat inzwischen neben zwei Geschäftsführern 53 Mitarbeiter. Vor einem Jahr seien es noch 36 gewesen. Es tut sich also was.
Ralf Kutzner, stellvertretender Bundesgeschäftsführer der IG Metall, ist am Donnerstag extra aus Frankfurt am Main angereist, um sich in der Versbach Metallbau umzuschauen. Um mal "aus dem Turm" herauszukommen und ein Beispiel gelungener Unternehmenskultur mitzunehmen. "Die Firma hat alles, was wir mit einem Zukunftsbetrieb verbinden", sagt er. Auch Kutzner spricht viel von "gemeinsam", von einem "guten Leben für alle", was gleichzeitig die Formel für gute Arbeit sei. "Und das brauchen wir, gerade im Handwerk. Denn das Handwerk soll wieder Premiumsegment im Mittelstand werden." Und in Richtung der Versbach-Belegschaft: "Ihr habt’s geschafft mit allen Perspektiven. Ich kann euch nur beglückwünschen zu dem Miteinander." Und da war das Wort noch mal, ganz zum Schluss.