Weimar Linke im Osten: Appelle da, Ratlosigkeit dort

Auf die Stimmung im Osten eingehen: Linken-Vormann Gregor Gysi bei der Ostkonferenz in Weimar. Foto: ari

Auf einer Ostkonferenz in Weimar haben Spitzenvertreter der Linken versucht, den Menschen in den neuen Bundesländern mehr Selbstbewusstsein einzureden. Manche an der Basis der Partei aber sagen, das reiche nicht.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Weimar - Bodo Ramelow ist in Plauder- und in Wahlkampfstimmung. Den linken Arm auf das Rednerpult neben sich gestützt, erzählt er erst von Rasierklingen, die im Süden seines Thüringen produziert würden und heute in jedem Einweg-Rasierer steckten, der in deutschen Drogerien unter deren Eigenmarken verkauft würden. "Weil die Kolleginnen und Kollegen einfach wissen, wie man es macht", sagt Ramelow. Später, aufrecht neben dem Pult, erzählt er von Gummidichtungen bei Tunnelbauten. Die kommen auch aus dem Freistaat, den er als erster linker Ministerpräsident seit 2014 regiert.

Ramelow erzählt von all dem mit dem Stolz eines Ministerpräsidenten auf sein Land und all das, was hier so gebaut, geschnitten, gestanzt und verschraubt wird. So, wie schon seine Amtsvorgängerin Christine Lieberknecht - ihres Zeichens CDU-Politikerin - von der Wirtschaftskraft Thüringens und den vielen kleinen, erfolgreichen Unternehmen geschwärmt hatte. Und er erzählt von all dem, wie einer, der will, dass seine rot-rot-grüne Regierungskoalition in etwa sechs Wochen bei einer Landtagswahl wiedergewählt wird. Deshalb sagt Ramelow - der in Westdeutschland geboren wurde - auch solche Sätze: "Wir müssen mit Stolz darauf hinweisen, dass wir eine ganze Menge in diese Einheit eingebracht haben."

Diese Linie, die Ramelow verfolgt, dieser Sound, den er dabei benutzt, ist die Linie, ist der Sound dieser Ostkonferenz der Linken, die die Bundestagsfraktion der Partei organisiert hat. Nicht zufällig findet sie am Mittwoch in Weimar statt und damit in der Mitte des Bundeslandes, in dem die Linken nach den jüngsten Umfragen bei der anstehenden Landtagswahl in wenigen Wochen tatsächlich die Chance haben, stärkste politische Kraft im Land zu werden. In Brandenburg dagegen rechnen Meinungsforscher damit, dass die Linken an diesem Sonntag auf Platz vier hinter SPD, AfD und CDU landen werden, in Sachsen sehen die Analysten die Linken hinter CDU und AfD.

Das, was die zahlreich angereisten Spitzenvertreter der Linken bei dieser Gelegenheit sagen, ist deshalb im Kern das, was sie sonst in den vergangenen Wochen immer wieder gesagt haben - auch, um damit umzugehen, dass in vielen Regionen des Osten die AfD bei den anstehenden Landtagswahlen stärkste Kraft werden könnte.

Eine Strategie, die die Linken dagegen setzen: Den Menschen im Osten klar machen, was sie alles geleistet haben in den vergangenen dreißig Jahren und dass es deshalb für sie keinen Grund gebe, aus Protest und Frust AfD zu wählen. Was eine durchaus nicht risikofreie Politik ist für eine Partei, die selbst einerseits jahrelang aus Protest gegen "die da oben" gewählt worden ist und die für sich in Anspruch nimmt, das gesellschaftliche System von heute überwinden zu wollen. Die Linke-Bundesvorsitzende Katja Kipping, sagt auf der Konferenz denn auch erneut, das "Scheitern des Staatssozialismus" habe die Linke nie aus der Verantwortung entlassen, "über Alternativen zum Kapitalismus nachzudenken". Die Linken würden zum Beispiel im Landtagswahlkampf in Sachsen aus voller Überzeugung auf ihren Wahlplakaten für den "demokratischen Sozialismus" werben.

Doch so routiniert Linke von Gregor Gysi bis Ramelow auf dieser Konferenz auch darüber reden, was im Osten alles geleistet worden sei, so wenig können sie alle darüber hinweg täuschen, dass es selbst an der Basis der Linken inzwischen nicht wenige Menschen gibt, die aus ihrem Alltag wissen, dass es längst nicht reicht, darauf zu setzen, dass Geschichten über Rasierklingen, Tunneldichtungen und Menschen, die als gelernte DDR-Bürger wissen, wie man Maschinen repariert, dazu führen, dass die Demokratie und ihre Errungenschaften überall im Osten geschätzt werden.

Und weil das so ist, steht in Weimar, während sich die Sonne dem Horizont zuneigt, eine Frau auf und sagt zu Ramelow und Kipping, dass sie sei inzwischen ziemlich desillusioniert ob der Stimmung in den neuen Bundesländern sei. Obwohl sich das, was auf dieser Konferenz so alles gesagt worden sei, "so schön anzuhören" sei. Sie selbst wohne in einer kleinen Gemeinde, in der ein völlig unbekannter AfD-Kandidat Stimmen für drei Mandate bekommen habe, erzählt sie. Manche Menschen würden nun zu ihr als Gemeinderätin kommen und ihr sagen, sie müsse etwas gegen die Rechten tun. Da wisse sie dann auch nicht weiter.

Kipping räumt ein, dass sie solche Aussagen auch von langjährigen und engagierten Linken, gerade im ländlichen Raum, zuletzt immer wieder gehört hat.

Autor

Bilder