Erfurt "Behinderten in den vergangenen Monaten viel zugemutet"

Gerade auch Menschen mit Behinderungen brauchen eine Stelle, die sich um ihre Belange kümmert. Dies soll mit einem neuen Beirat auf Landesebene besser klappen als bisher.

 
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Erfurt - Landtagspräsidentin Birgit Keller hat zur Konstituierung des neuen Landesbehindertenbeirats auf die Herausforderung in der Corona-Zeit für Betroffene verwiesen. "Gerade für Pflegebedürftige und für Menschen mit Behinderung sind die Kontaktbeschränkungen schwer zu ertragen", sagte Keller (Linke) am Mittwoch in Erfurt. "Die Schließungen von Behindertenwerkstätten und ähnlichen Einrichtungen waren schwere Schritte, die in den vergangenen Monaten gegangen werden mussten."

Fast jeder Zehnte ist schwerbehindert

Ende 2019 galten laut amtlicher Statistik 205 195 Menschen in Thüringen als schwerbehindert. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 9,6 Prozent. Nach Angaben des Landesamtes für Statistik waren erstmals seit Beginn der Erhebung im Jahr 1993 mehr Frauen (rund 103 000) als Männer (etwa 102 180) im Besitz eines Schwerbehindertenausweises. Mit dem Ausweis können Schwerbehinderte gegenüber Arbeitgebern, Behörden und Sozialleistungsträgern per Gesetz festgelegte Nachteilsausgleiche und Rechte in Anspruch nehmen. Die Hälfte der schwerbehinderten Thüringer war älter als 65 Jahre. Ursache der Behinderung war den Angaben zufolge in vier Fünftel der Fälle (81,2 Prozent) eine Krankheit. Bei 4,7 Prozent war die Behinderung angeboren und 1,8 Prozent der Fälle wurde durch Unfälle verursacht. jwe/dpa

Im Landtag kam am Mittwoch erstmals der Landesbehindertenbeirat in neuer Konstellation zusammen. Durch eine Gesetzesänderung im vergangenen Jahr hat sich die Zusammensetzung des Beirats verändert: Der Vorsitz und die Ansiedlung des Beirates wechselte vom Thüringer Sozialministerium zum Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen und damit in die Zuständigkeit des Thüringer Landtags.

Zudem sind nun nur die Mitglieder stimmberechtigt, die unmittelbare Vertreter von Interessenverbänden von Menschen mit Behinderungen sind. Daneben gibt es aber weiterhin Mitglieder aus Landes- und Kommunalpolitik, Kammern und Gewerkschaften. Der Beirat kann die Landesregierung in grundsätzlichen Fragen der Behindertenpolitik und der Behindertenhilfe beraten.

So sei auch die Rolle der Menschen mit Behinderungen im Beirat wesentlich gestärkt, sagte Sozialministerin Heike Werner (Linke). "Mit der neuen Zusammensetzung des Beirates werden Vertreterinnen und Vertreter von insgesamt 10 Thüringer Selbstvertretungsorganisationen für Menschen mit Behinderungen stimmberechtigt sein."

Auch der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Joachim Leibiger, sieht eine "neue Qualität der Partizipation an Behindertenpolitik" erreicht, wie er mitteilte. Der Beirat sei das wichtigste zivilgesellschaftliche Gremium zur Erörterung und Beratung bedeutender Fragen für eine inklusive Gesellschaft. "Ob es um Bildung, Arbeit, Bauen, Verkehr, Digitales oder Corona geht, der Beirat ist gefragt, wenn die Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen gestaltet werden."

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