Thüringen AfD-Politiker übernimmt Vorsitz im Geraer Stadtrat

Marktplatz in Gera mit Rathaus Foto: imago images / F. Berger

Der AfD-Politiker Reinhard Etzrodt ist zum Vorsitzenden des Geraer Stadtrates gewählt worden. Nicht nur von der AfD: Der Arzt im Ruhestand erhielt am Donnerstagabend 23 von 40 abgegebenen Stimmen. Die AfD selbst verfügt nur über zwölf Plätze im Parlament.

 
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Gera - Die Wahl eines AfD-Politikers an die Spitze des Geraer Stadtrates wirft Fragen zum Umgang mit der rechtspopulistischen Partei in Kommunalparlamenten auf. Es ist längst nicht der erste Fall, bei dem sie Unterstützung aus anderen Reihen erhielt.

Aufgabe des Stadtratsvorsitzenden ist es laut Thüringer Kommunalordnung, die Sitzungen des Gremiums zu leiten. Dort heißt es in Paragraf 41: «Der Vorsitzende sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung und übt das Hausrecht aus.» Stört ein Stadt- oder Gemeinderat erheblich, so kann er diese Person - mit Zustimmung des Gemeinderats - von der Sitzung ausschließen. Außerdem muss er die Niederschrift über die Sitzung unterschreiben.

Laut Kommunalordnung wird der Vorsitz des Stadtrates eigentlich vom Bürgermeister geführt. Per Hauptsatzung kann die Kommune aber zu Beginn der Amtszeit des Kommunalparlaments regeln, dass der Vorsitz von einem seiner Mitglieder übernommen wird. So wird es seit vielen Jahren in Gera gehandhabt.

Laut Satzung hat die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für den Stadtratsvorsitzenden. Das ist in Gera seit der Kommunalwahl im Mai 2019 die AfD. Allerdings hatte es Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geraer Regelung gegeben, so dass die Wahl des Vorsitzenden mehrfach vertagt wurde. Weitere Aufgaben als die Sitzungsleitung anstelle des Bürgermeisters «können ihm nicht übertragen werden», heißt es in Paragraf 23 der Kommunalordnung. «Die Tagesordnung und Beschlussvorlagen werden in der Verwaltung gemacht», betonte Ralf Rusch, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen. Über Änderungen muss dann der Stadtrat abstimmen.

Der Geraer Stadtrat hatt in seiner Sitzung am Donnerstagabend Etzrodt zum Vorsitzenden gewählt. Der Arzt im Ruhestand erhielt 23 von 40 Stimmen. Die AfD selbst verfügt nur über 12 Plätze in dem Kommunalparlament. Der Wahlausgang sorgte noch am Abend für heftige Reaktionen. Unter anderem erhob die Linke-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow schwere Vorwürfe gegen die CDU und schrieb auf Twitter: «Wie kann eine demokratische Partei, die sie sein wollen, immer wieder Handlanger einer extrem rechten Partei sein?»

Ähnlich äußerten sich Vertreter der SPD. CDU-Landeschef Christian Hirte wies dies zurück: «Die CDU hat sich in der Fraktion klar darauf verständigt, den AfD-Kandidaten nicht zu wählen.» Genau so sei dies auch erfolgt.

Das Internationale Auschwitz Komitee hat die Wahl eines AfD-Politikers an die Spitze des Geraer Stadtrates scharf kritisiert. «Für die Menschen in Gera und für Geras Wirkung nach außen ist dies ein verheerendes Signal», erklärte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, am Freitag. Die Wahl des AfD-Repräsentanten Reinhard Etzrodt müsse «Überlebenden von Auschwitz wie Hohn in den Ohren klingen». Wenn Stadtverordnete einen Vertreter der AfD zu ihrem obersten Repräsentanten wählten, sei das «ein Zusammenbruch an Glaubwürdigkeit und eine Destabilisierung der Demokratie», sagte der Exekutiv-Vizepräsident. Es sei für Überlebende des Holocausts «schlichtweg unvorstellbar.» dpa

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