Suhl/ Zella-Mehlis Videos zeigen chaotische Szenen im Flüchtlingsheim

Screenshot der Video-Links Foto: Screenshot/www.fluechtlingsrat-thr.de

Dazu, was vor wenigen Tagen im Flüchtlingsheim in Suhl geschehen ist, gibt es unterschiedliche Darstellungen. Videoaufnahmen, die aus der Nacht zu stammen scheinen, zeigen, dass sich damals in der Einrichtung chaotische Szenen abspielten.

 
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Suhl/Erfurt - Nachdem der Flüchtlingsrat Thüringen schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes für Flüchtlinge in Suhl erhoben hat, ist auf Videoaufnahmen mutmaßlich zu sehen, wie unübersichtlich die Lage in der fraglichen Nacht in mindestens einem Teil der Einrichtung war. Sie zeigen auch, dass es nicht nur in einem Zimmer des Heims zu dem gekommen ist, was ein Sprecher des Thüringer Landesverwaltungsamtes nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse als „eine Rangelei“ bezeichnet hatte. Einfache Antworten dazu, wer sich in der betreffenden Nacht möglicherweise einer oder mehreren Straftaten schuldig gemacht haben könnte, liefern die Aufnahmen jedoch nicht.

So ist beispielsweise auf zwei Videos, die unserer Zeitung vorliegen, aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, wie zwei, später drei Männer, die augenscheinlich zum Sicherheitsdienst der Einrichtung gehören, mit einem Flüchtling in einem Zimmer des Heims ringen. Der Flüchtling hat einen der Sicherheitsleute an dessen Jacke gepackt. Der Wachmann versucht diesen Griff – erfolglos – durch eine Hebeltechnik zu lösen. Nach einiger Zeit drängen die drei Männer den Flüchtling in einen anderen Teil des Raums, vor einen Schrank. Dort geht die Auseinandersetzung weiter. Einer der Wachmänner drückt schließlich seinen Arm gegen den Hals des Flüchtlings.

Im Hintergrund beider Aufnahmen ist zu sehen und zu hören, wie zwei kleine Kinder weinen und rufen. Außerdem sind mehrere Männer zu sehen, die versuchen, den Flüchtling und die Sicherheitsleute voneinander zu trennen, die also versuchen, die Lage zu deeskalieren. Auf einem dritten Video, das mutmaßlich nach dieser Auseinandersetzung entstanden ist, ist zu sehen, wie in einem Nebenzimmer mehrere Flüchtlingskinder und auch einige Erwachsene unter anderem weinend und schreiend in sitzen.

Die Aufnahmen sollen nach Zusicherungen gegenüber unserer Zeitung authentisch sein und am Dienstagabend in dem Flüchtlingsheim entstanden sein. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben bislang nicht.

Der Thüringer Flüchtlingsrat hatte am Donnerstag in einer Pressemitteilung erklärt, Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes hätten am Dienstag versucht, einer Bewohnerin des Heims gewaltsam ihr Handy abzunehmen und sie anschließend geschlagen und auf den Boden gedrückt. Nach Angaben eines Sprechers der Thüringer Migrationsministeriums ermittelt die Polizei derzeit zu dem Fall. Die Polizei sei am Dienstag zu einer mutmaßlichen Körperverletzung in die Erstaufnahmeeinrichtung gerufen worden. Anlass dafür sei gewesen, dass der Sicherheitsdienst in einem Zimmer versucht habe, das Hausrecht durchsetzen. Dort soll eine Kochplatte unerlaubt verwendet worden sein.

Zudem erhob der Flüchtlingsrat in seiner Mitteilung einen weiteren Vorwurf: Einer der Frauen, die an der Auseinandersetzung vom Dienstag beteiligt gewesen sei, sei tagelang medizinische Hilfe vorenthalten worden. Sie sei schwanger gewesen und habe ihr Kind schließlich verloren. Auch dazu ermittelt die Polizei inzwischen. Der Sprecher des Landesverwaltungsamtes sagte, nach den bisherigen Erkenntnissen gebe es keine Hinweise darauf, dass dieser Frau während ihrer Schwangerschaft medizinische Hilfe nicht gewährt worden sei.

Vor dem Hintergrund der Vorwürfe hat der Freistaat die von ihm für das Objekt beauftragte private Sicherheitsunternehmen aufgefordert, drei an dem Vorfall mutmaßlich beteiligten Wachmänner zunächst dort nicht mehr einzusetzen. Die Männer sollten auch zu ihrem eigenen Schutz nicht mehr in dem Heim arbeiten, bis die Vorwürfe geklärt seien, sagte der Sprecher des Landesverwaltungsamt. Die Behörde ist für die Flüchtlingsunterbringung in Thüringen maßgeblich mitverantwortlich.

In den Videos, die unserer Zeitung vorliegen, lässt sich nicht zweifelsfrei erkennen, ob während der Auseinandersetzung in dem Zimmer tatsächlich eine Frau zu Boden gebracht worden ist und ihr das Handy gewaltsam abgenommen werden sollte. Allerdings gibt es Videomaterial, aufgrund dessen die Richtigkeit dieses Vorwurfs nicht ausgeschlossen werden kann. So ist zu sehen, wie ein offenbar weiterer Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes eine andere Person – die sich nicht näher identifizieren lässt – zu Boden reißt. Einen Teil der Video hat der Flüchtlingsrat inzwischen selbst veröffentlicht

In einem weiteren bislang unveröffentlichtem Video ist mutmaßlich zu sehen, dass die Auseinandersetzungen jener Nacht sich nicht nur im Inneren der Erstaufnahmeeinrichtung ereignet haben, sondern auch auf deren Außengelände. Darauf ist zu erkennen, wie zwei Männer an einer Frau – scheinbar eine der Beteiligten an der Auseinandersetzung aus dem Zimmer – herum zerren, wobei einer ruft: „Es reicht!“ Nach einigen Sekunden lassen die beiden Männer von der Frau ab.

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