Sonneberg - "Was die Stadt Sonneberg mir zu verdanken hat, das kann ich nicht einschätzen, aber ich weiß, was ich dieser Stadt zu verdanken habe." Tankred Dorst äußerte sich am Donnerstagabend beeindruckt von der Ehrenbürgerwürde, die ihm im Sitzungssaal des Rathauses der Spielzeugstadt verliehen wurde.

Die Freude über das Ereignis war an diesem Abend beiderseitig, ist doch Sonnebergs Ehrenbürger Nummer 9 eine Persönlichkeit, die wie kaum eine andere für deutsche Literatur und deutsches Theater steht. "Tankred Dorst gilt international als der meistgespielte Autor der Gegenwart", bemerkte Beigeordneter Heiko Voigt, der die erkrankte Bürgermeisterin vertrat. Deshalb hat man den 1925 in Oberlind geborenen Dorst zum Ehrenbürger gekürt.

Indessen in und um Sonneberg war der Name - abgesehen von den Menschen, die ihn als Kind und Jugendlichen kennen gelernt hatten - ein Unbekannter. "Sein Werk war hier nicht erwünscht", sagte Dagmar Schipanski, bis vor einem halben Jahr Landtagspräsidentin, und selbst mit familiären Wurzeln in Oberlind ausgestattet. Sie wusste von Gesprächen zu berichten, die man im Familienkreis über jenen so ungewöhnlichen Oberlinder führte. Nur hinter vorgehaltener Hand habe man sich auch deshalb unterhalten können, weil Dorst in der damaligen DDR eher unerwünscht war. Zu modern, zu anders sei dieser gewesen, als dass er sich hätte in die offiziöse DDR-Sicht auf Literatur einordnen lassen.

Kein Wunder, denn Dorsts literarische Sicht auf die Zeitgeschichte ging vom Individuum aus, was nun ganz und gar nicht in den kollektivistischen Blickwinkel der DDR passte. "Dorst zeigt, wie Politik sich auf den einzelnen Menschen auswirkt", sagte Schipanski. Sein Stück "Große Schmährede an der Mauer" (1961), in der eine Fischersfrau ihren zwangsrekrutierten Mann vom Kaiser zurückfordert, müsse schlichtweg Pflichtlektüre für all jene werden, die in die Politik gehen möchten, meinte Politikerin Schipanski.

Keine Frage, Dorsts Werk hat Brisanz und lädt zum Entdecken ein.

Am Donnerstagabend aber waren es vor allem die autobiographisch gefärbten "Deutschen Stücke", die vor allem die älteren Gäste zur gedanklichen Fahndung nach den Vorbildern aus Oberlind animierten.

Und das schönste an der ganzen Sache - sie konnten am Ende des Festakts den Autor selber fragen, der gerne Rede und Antwort stand und über Oberlind fachsimpelte.