Schmalkalden - Für Knut Wagner schließt sich am kommenden Samstag ein Kreis. Einer, der in seiner Studienzeit begann und nun mit der Buchpremiere endet. Den 66-jährigen Asbacher könnte man als umtriebigen Journalisten im Ruhestand bezeichnen. 2009 machte er weit über die Region hinaus Schlagzeilen mit seinem Film "Aufruhr im Advent", der die Ereignisse der Stürmung der Stasi-Zentrale in Schmalkalden im Dezember 1989 dokumentiert. Seitdem ist es wieder ruhiger geworden um den ehemaligen Redakteur und Feuilleton-Chef des "Freien Worts". Könnte man meinen.

Doch Knut Wagner und seine Frau Ursula, ebenfalls Lehrerin im Unruhestand, sind immer auf der Suche nach neuen Projekten. Einige werden nur einem kleinen Kreis bekannt, andere sind für die Öffentlichkeit bestimmt, wie das Projekt über den Stasi-Sturm. Das jetzt vorgelegte Produkt, ein 95 Seiten umfassendes Buch, könnte man, bösartig, als Abfallprodukt bezeichnen. Es kam zustande, weil Knut Wagner gerade an einem Roman arbeitet. Als der Autor für seine Hauptfigur Gedichte sucht, die diese im Dunkeln zitiert, fallen ihm seine eigenen in die Hände. Eine lose Sammlung von etwa 50 Gedichten. "Beim Lesen kam mir der Gedanke, dass es einige doch wert sind, sie zu veröffentlichen", sagt Wagner. Obwohl die frühen Gedichte in den 60er Jahren entstanden, sind die Themen noch heute aktuell. Und Landschaftsgedichte sind sowieso zeitlos. Dazu gesellen sich Betrachtungen, zum Beispiel über das Entstehen lyrischer Bilder und Erinnerungen an zwei Autoren der Region, die Knut Wagner selbst kannte und schätzte, wie den in Vachdorf geborenen und 1995 in Untermaßfeld gestorbenen Schriftsteller Walter Werner. Er wird vom Internetlexikon wikipedia als "einer der profiliertesten Naturlyriker der DDR" bezeichnet. Ein weiteres "in memoriam" widmet Wagner dem Schriftsteller Wolfgang Rinecker. Zu dessen 70. Geburtstag verfasste er ein Essay, das im literarischen Journal "Palmbaum" erscheinen sollte, was aber nie passierte. Mit dem Text über Walter Werner hatte sich Knut Wagner, damals noch Redakteur in Meiningen, an einem Wettbewerb beteiligt. Zur Präsentation las er ihn vor, doch veröffentlicht wurde er nicht. Wie auch keines der Gedichte bisher je über die Schwelle seines Hauses in Asbach gekommen ist.

Nun kann jeder, der es möchte, diese Gedichte, Essays und Liedtexte lesen, denn die Textsammlung "Traumbeladen" ist im Buchhandel erhältlich. "Es kam mir entgegen, dass die Suhler Verlagsgesellschaft gerade die Aktion 'Leser-Edition' anbot", erzählt Wagner, der das Schreiben als Germanistikstudent in Jena von 1965 bis 1969 von der Pike auf erlernte. Von 1976 bis 1979 war Wagner freiberuflich tätig. In dieser Zeit entstand sein Roman "Prinz Homburg und die Schwalben". Danach studierte er nochmals am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig.

Wo bleibt der Mensch?

Seine frühen Gedichte, sagt Wagner, sind aus einer Stimmung heraus entstanden. "Ich stand damals mehr auf der Studentenbühne, als dass ich im Hörsaal war. Nach den Auftritten, auf dem Heimweg im nächtlichen Jena, fielen mir die Strophen ein", erzählt der heute 66-Jährige und man kann sich vorstellen, wie der junge Wagner, aus der "Rose" kommend, Richtung Mühlenstraße gehend, noch ganz im Bann der großen Dichter auf deren Spuren wandelt. Diese Gefühle, glaubt Wagner, haben auch heute noch junge Leute, selbst wenn sie sich in der Freizeit mit Computerspielen beschäftigen. "Um das zu verstehen, muss man nicht in meiner Generation geboren sein", ist der in Schlesien Geborene überzeugt.

Zu DDR-Zeiten unternahm sein Freund Walter Werner einmal den Versuch und ging mit Wagners Gedichten unterm Arm zum Mitteldeutschen Verlag. "Die sagten, es wären zu wenige." Doch Wagner ist überzeugt, es fehlte einfach die politische Botschaft. "Der Mensch", so Wagner, "hieß es damals in den Schreibwerkstätten immer wieder, muss beschrieben werden." Der sozialistische Mensch natürlich. Aber das war nicht Knut Wagners Ding. In seinen Landschaften kommen keine Menschen vor.

Seine Naturlyrik ist für Wagner, im Gegensatz zu den Liebesgedichten, handwerklich anspruchsvolle Arbeit. Er hatte Bilder im Kopf, die er in Sonett- oder Odenform bringen wollte. Immer und immer wieder trainierte er anhand von Bildbeschreibungen die klassische Odenform, sie sollte zum Automatismus werden. "Ich schrieb die Bilder auf, reihte sie aneinander und machte dann ein Gedicht daraus", schildert Wagner. Klingt einfach, ist es aber nicht. Zwei Bilder so zusammenzubringen, dass sie einen besonderen Reiz haben und dann noch für den Rezipienten verständlich sind, sei Schwerstarbeit. Doch auch mit dem Abstand von Jahrzehnten betrachtet, findet Knut Wagner: "Das geht noch durch" und nimmt die Gedichte in seine Textsammlung auf.

"Die Gedichte" schlechthin sind für den Autor selbst Elegie I, II und III. Wunderschöne Liebesgedichte, die vom Trennungsschmerz erzählen. In einem findet der aufmerksame Leser auch das Wort "traumbeladen" wieder, fast versteckt in einer Zeile. Hier war des Autors Blick hängen geblieben, als er den Titel für sein Buch suchte.

Verändert hat er fast nichts. Nur einige, wie das Gedicht "Asbach", gekürzt. Das Kürzen habe er als Journalist gelernt. Neben Asbach widmet er auch anderen, lieb gewonnenen Orten, ein paar Zeilen. Erfurt, seine Heimat für viele Jahre, Jena, der Ort seiner Studentenzeit, und Waldenburg in Sachsen, wo die Familie nach der Vertreibung aufgenommen wurde, gehören dazu.

"Was aber ist" ist ein Gedicht, bei dem der Leser vielleicht ins Grübeln kommt. "Einen einfachen Mann hörte ich - es war auf der Straße - sagen: die da singen, freuen sich. Was aber ist, so dachte ich, wenn man einen Beschluss annimmt, schweigend."

Der "Beschluss" ist dem jungen Studenten Wagner gerade im Hörsaal mitgeteilt worden. Die UdSSR marschiert im März 1968 in die Tschechoslowakei ein. Zwischen den Zeilen setzt sich Wagner mit diesem politischen Thema auseinander. Ein Dissidentengedicht ist es nicht. Nein, dazu habe ihm der Mut gefehlt, gibt der 66-Jährige zu. Oder vielleicht auch das Umfeld, die Szene. Etwas mutiger wurde er nach seinem Studium in Leipzig. Da lernte er die Szene kennen, die anders dachte und das auch äußerte. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem beim Kulturbund, aber auch in der Produktion, kam Knut Wagner 1987 ans Meininger Theater als Schauspieldramaturg. Als solcher betreute er viele große Stücke, doch sein eigenes wurde nie aufgeführt. "Statt Weiß trag' Rot", eine Revue, lehnte der Meininger Intendant 1989 ab. "Ich hatte gehofft, dass es wenigstens bis zur Hauptprobe kommt", sagt Knut Wagner schmunzelnd. Mit dem Vermerk "In Meiningen abgelehnt", auf den der Intendant bestand, hatte das Stück auch in anderen Theatern keine Chance.

Rocktext für "Pli"

Nach einem kurzen Intermezzo beim Kulturbund widmete sich Knut Wagner nach der politischen Wende dem Journalismus. Nun konnte er selbst bestimmen, was erscheint und was nicht. Diese Freiheit genoss er gerade auch bei der Auswahl für "Traumbeladen". "Nun kann ich das öffentlich machen, weil ich meine, es öffentlich machen zu müssen." Die Kriterien legte er allein fest, auch, was auf welcher Seite steht. Nur die technische Qualität musste stimmen, verlangte der Verlag, der sich aber auch das Recht vorbehält, ein Manuskript abzulehnen, ohne einen Grund zu nennen.

Schon als Student hatte Knut Wagner Balladen zu Papier gebracht, später, in den 70er Jahren, begonnen, Rocktexte zu schreiben. Während einer Schreibwerkstatt hatte er einen Text der Meininger Band "Pli" ziemlich auseinandergenommen. Die Musiker forderten ihn daraufhin auf, doch selbst mal einen zu schreiben. Der Haken war, dass die Musik bereits feststand. Wagner wollte gerne Geschichten erzählen, doch bei dieser Melodie war das nicht so einfach umzusetzen. Er, der bis dahin unter "Lyriker" gelaufen war, wurde Rockmusiktexter. Vertont wurde aber nur dieses Gedicht "Gedanken um einen Jungen", ein Text, in dem es um das Scheidungskind Henry geht. Das Lied der Gruppe "Pli" wurde damals auf einer Amiga-Sammel-LP verewigt.

Es wird den Kreis schließen, am kommenden Samstag zur Buchvorstellung in der Bohrmühle. Knut Wagner erinnerte sich nämlich an seinen damaligen Musikerkollegen Winfried Kania, als er Begleitmusik für seinen Film "Aufruhr im Advent" brauchte. Der Kühndorfer Kania und Wolfgang Stetefeld, beide von "Pli", werden zur Buchpremiere kommen und spielen, Blues und Improvisationen.

Buchvorstellung "Traumbeladen" mit Knut Wagner, Samstag, 29. Oktober, 19.30 Uhr, Gemeindehaus Bohrmühle.