Das ist ein gutes Zeichen in diesem Jahr: Erich Loest, Monika Maron und Uwe Tellkamp werden am 16. Juni in Weimar mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet. Damit ehrt die Deutsche Nationalstiftung im Jahr zwanzig nach dem Fall von Mauer und Grenze drei bedeutende deutsche Schriftsteller, die aus unterschiedlichen Generationen stammen, aber alle drei in der DDR gelebt haben.

Das Signal, das von dieser Entscheidung ausgeht, hat mehrere Facetten. Zum Beispiel eine biographische: Loest, Maron und Tellkamp stehen mit ihren persönlichen Geschichten auch für die Widersprüchlichkeit, die das Leben vieler Menschen in der DDR begleitet hat. Es steht für den häufig schmerzhaften Wandel von der Sympathie für den Sozialismus (die bei Loest und Maron aus der Erfahrung des Nationalsozialismus entstand) zur Abkehr vom Sozialismus (die die Erfahrung der SED-Diktatur zur Folge hatte). Brüche, Widersprüche, verlorene und gewonnene Kämpfe: Sie haben deutsche Biographien im Jahrhundert des Totalitarismus ganz besonders geprägt – und eben auch Biographien in jenem Staat, der vor zwanzig Jahren von seinen Bürgern zum Einsturz gebracht wurde. Eine zweite Facette ist die literarische: Loests „Nikolaikirche“, Marons „Flugasche“ oder Tellkamps „Der Turm“ (nebenbei: ein Roman von einem Format, das in unserer Literatur selten erreicht wird) stehen beispielhaft für die Auseinandersetzung mit brüchigen, widersprüchlichen, auch kämpferischen Biographien im Alltag der DDR. Kunst und vor allem auch Literatur können aber zur Auseinandersetzung der Menschen mit solchen Biographien in ganz besonderer Weise beitragen. Womit wir bei der dritten Facette wären, die sich aus den ersten beiden ergibt: der historischen.

„Mangelhafte Geschichtskenntnisse führen entweder zu pauschaler Missachtung oder aber Verklärung des Lebens früherer Generationen“, hat Richard Schröder, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Nationalstiftung, gestern zur Begründung der Preisvergabe gesagt. Sowohl Missachtung als auch Verklärung erleben wir zwanzig Jahre nach dem Mauerfall immer noch – und nicht selten. Beide – Missachtung und Verklärung – sind jedoch keine Basis, auf der man die Vergangenheit fruchtbringend für Gegenwart und Zukunft betrachten kann. Deshalb muss die Auseinandersetzung mit der Geschichte sinnvoll weiterbetrieben werden. Der Nationalpreis für Erich Loest, Monika Maron und Uwe Tellkamp ist, wie gesagt, ein gutes Zeichen in dieser Richtung. Und vielleicht nehmen wir uns demnächst mal wieder oder erstmals die „Nikolaikirche“, die „Flugasche“ oder den „Turm“ vor. Die Lektüre lohnt sich allemal.