Einig war sich die russische Opposition noch nie. Zu viele Strömungen, zu unterschiedliche politische Hintergründe. Jetzt hätte sie die Chance, geschlossen aufzutreten, wieder einmal. Zum ersten Mal wird sie von vielen Teilen der Bevölkerung unterstützt, die im vergangenen Jahrzehnt nie auf einer Oppositionsdemonstration waren, nun aber aus der politischen Apathie erwacht sind. Doch wieder einmal scheitert die Opposition an sich selbst - und zeigt genau das Bild, das der Kreml seit Jahren von ihr entwirft: von einem uneinigen, verworrenen, radikalen Trüppchen. Zerstreitet sie sich weiter, lässt sie die verhasste Staatsspitze wieder die Oberhand gewinnen. Das wäre ein Fehler auf dem Weg zu politischen Reformen, die gerade jetzt so nahe scheinen. Die Moskauer Führung sucht plötzlich den "Dialog mit der Opposition". Ob sie das aus reinem Kalkül macht, sei dahingestellt. 30 000 Menschen dürfen heute vier Stunden lang im Zentrum Moskaus demonstrieren. Allerdings nicht dort, wo sie das zunächst wollten. Es ist eine überraschende Wende in der Haltung der Machthaber. Und während sich ein Teil der sogenannten außerparlamentarischen Opposition Russlands mit der Lösung einverstanden zeigt, pocht der andere Teil auf dem vorgesehenen Ort nahe des Kremls. Doch nicht die Geografie ist jetzt entscheidend, sondern der mögliche Wandel des Systems. Gerade die nicht in der Duma vertretene Opposition sollte diese Chance ergreifen. Die Konfrontation mit dem Kreml kommt schnell genug.