Meiningen. In den Kammerspielen gibt es am Mittwoch die deutsche Erstaufführung des Stücks „Hüter der Zeit“. Auf ungewöhnliche Weise stellt der amerikanische Dramatiker Dan Clancy den Holocaust in den Mittelpunkt seines Schauspiels.

„Dieses Stück bietet eine ganz andere Sicht auf den Holocaust, denn eigentlich ist es ein Boulevardstück über Schwule“, erklärt Ansgar Haag, der „Hüter der Zeit“ auf die Bühne bringt. Erzählt wird über einen Juden und einen Homosexuellen im KZ. In gegenseitiger Abneigung zusammengebracht, müssen sie für die Nazis Uhren von Häftlingen reparieren. „Die Menschenwürde ist für mich das Kernthema. Es geht um Toleranz und Akzeptanz des Anderen“, erläutert der Regisseur das Anliegen seiner Inszenierung. Insofern sei sie auch ein Beitrag zum 60. Jahrestag der bundesdeutschen Verfassung, die im Grundgesetz festschreibt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. „Erst 1986 wurde in Dachau ein Gedenkstein für die ermordeten Homosexuellen gelegt“, macht Haag klar. Anders als in der DDR wurden in der BRD Homosexuelle über den Paragrafen 175 – wie in Nazizeit – weiter verfolgt.

„Hüter der Zeit“ ist jedoch kein geschichtsrelevantes Stück zu dieser Thematik. Vorkenntnis über die Naziherrschaft sei schon notwendig, meint Haag und macht den Balanceakt des Inszenierens dieser Komödie deutlich: „Im Amerikanischen gibt es keinen schwarzen englischen Humor, das macht die Sache schwer.“ Um die Brutalität nicht auszublenden, hat er das Spiel der Akteure zunächst ganz realistisch darauf konzentriert. „Wir dürfen aber nicht nur das Grauenvolle zeigen, sondern müssen eine humorvolle Distanz erreichen“, erklärt Haag die Schwierigkeit.

Das Surreale spiele hierbei eine wichtige Rolle. So sind die Uhren auch eine Metapher fürs Überdauern. Über die Uhren stellt sich wiederum eine Verbindung zum spanischen Künstler Salvador Dali her, von dem am 20. Juni eine dreiteilige Ausstellung in der galerie ada, im Schloss Elisabethenburg und in der Kunststation Kleinsassen eröffnet wird. „Die Brücke ist zwar nur äußerlich“, so Haag, „aber inhaltlich geht es natürlich auch um den Dichter Lorca, mit dem Dali befreundet war.“ Lorca wurde im spanischen Bürgerkrieg ermordet, nicht nur wegen seiner Kritik an den spanischen Nationalisten, sondern auch, weil er Homosexueller war, wie heute vermutet wird.

So gibt es viele Gründe für eine deutsche Erstaufführung von „Hüter der Zeit“. Übersetzt wurde das Stück von Volkmar Clauß, dem früheren Intendanten des Schiller-Theaters in Berlin. Er hat es in Israel gesehen. Auch in New York, London und Warschau kam es erfolgreich auf die Bühne. (cs)