Ilmenau Auch Ilmenauer Schüler wollen streiken

dss, Jessie Morgenroth
In vielen Städten Deutschlands streiken Schüler für besseren Klimaschutz. Nun hat die Bewegung auch Ilmenau erreicht. Symbol Foto: dpa

Schule schwänzen für den Klimaschutz: Die Aktion "Fridays For Future" macht weltweit von sich reden. Nun erreicht die Streikwelle auch Ilmenau. Am Freitag wollen Schüler nach Erfurt zur gemeinsamen Demo fahren.

 
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Ilmenau – Seit Monaten schon bestreiken Schüler weltweit die Schule, um für einen besseren Klimaschutz zu kämpfen. Gründerin und Protagonistin der Bewegung ist die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg, die seit August 2018 jeden Freitag den Schulunterricht schwänzt und dies so lange fortsetzen möchte, bis Schweden das Klimaabkommen von Paris einhält. Auch in Deutschland beteiligen sich Schüler seit mehreren Wochen an der Aktion „Fridays for Future“. In Arnstadt beispielsweise gibt es an diesem Freitag ab 14 Uhr am Hopfenbrunnen eine Demonstration. Und auch Ilmenau hat die Streikwelle mittlerweile erreicht. Über die sozialen Netzwerke verbreitete sich in den vergangenen Tagen ein Aufruf, am Freitag um 10.18 Uhr mit dem Zug nach Erfurt zu fahren und dort um 12 Uhr am Angerdreieck an einem zentralen Streik teilzunehmen.

Das soll aber nur der Anfang sein. Wie Isabella Gerlach, die ehemalige Vorsitzende des Kinder- und Jugendbeirats verrät, soll es nächste Woche Freitag dann eine Demonstration am Ilmenauer Apothekerbrunnen geben. „Es kamen Schülerinnen der Goetheschule und des Lindenberg-Gymnasiums auf mich zu, die es nötig fanden, die Aktion auch nach Ilmenau zu holen. Ihrer Meinung nach wissen noch zu wenige junge Leute von dem Demonstrationen“, sagt sie. „Und da sie eine Person brauchen, die älter als 18 Jahre ist, um die Demo anzumelden, helfe ich gerne.“

Sie betont aber, dass jeder Schüler für sich selbst entscheiden muss, ob er für den Klima-Streik die Schule schwänzt. „Ich kann gut verstehen, wenn jemand das Risiko nicht eingehen möchte“, sagt Isabella Gerlach.

Keine Böswilligkeiten

Auf die Unterstützung der Schulleiter und Lehrer der Ilmenauer Schulen dürfen die Jugendlichen wohl eher nicht hoffen. Bei ihnen kommt der Streik nicht gut an. „Damit verstoßen die Schüler gegen ihre Schulpflicht“, sagt Volker Rusch, Leiter der Goetheschule. „Das heißt auch, dass vermerkt wird, dass die Schüler unentschuldigt gefehlt haben.“ Von ihrem Plan abhalten könne man die Jugendlichen aber nicht. Diese müssen dann aber auch mit den Konsequenzen rechnen. „Der Stoff muss eigenständig nachgearbeitet werden. Und sollten am Freitag Leistungskontrollen anstehen, gibt es dafür dann die Note 6 oder null Punkte“, so Rusch. Absichtlich Steine in den Weg legen wolle man den Schülern aber nicht. „Alle Kollegen wurden darüber informiert, dass aus Böswilligkeit keine unangekündigten Kontrollen erfolgen sollen“, sagt Rusch.

Auch das staatliche Berufsschulzentrum Arnstadt-Ilmenau hält nicht viel von den freitäglichen Klimastreiks. „Ein paar Schüler haben vorhin ihren Lehrer gefragt, wie die Regelungen bezüglich einer Teilnahme an den Schulstreiks sind. Die Schüler wurden dann darauf hingewiesen, dass eine Streikbeteiligung als unentschuldigtes Fehlen eingetragen wird. Dementsprechend gehe ich davon aus, dass sich keiner von unserer Schule an der Streik-Aktion beteiligen wird“, so die Sekretärin Susanne Schaffrath.

An der Freien Reformschule „Franz von Assisi“ sind sich die Pädagogen hingegen noch uneins, wie sie mit der Problematik verfahren sollen. Wie Sprecherin Jördis Kühn sagt, würden Lehrer und Schüler aktuell noch über das Thema diskutieren. Sie konnte daher auch noch nicht sagen, mit welchen Konsequenzen Schüler zu rechnen haben, die bereits an diesem Freitag am Streik teilnehmen wollen.

Es gilt die Schulpflicht

Unproblematisch ist der heutige Streik für die Schüler des Lindenberg-Gymnasiums und der Regelschule „Geschwister Scholl“. Hier gibt es einen der sogenannten beweglichen Ferientage – es ist also schulfrei. Dennoch wird man sich auch hier perspektivisch mit dem Thema beschäftigen müssen, sollten die Streiks jeden Freitag fortgesetzt werden. „Wir werden dann mit den Schülern, die streiken wollen, reden und versuchen, sie davon zu überzeugen, ihre Demonstrationen am Nachmittag abzuhalten“, sagt der stellvertretende Schulleiter Eckhard Sommer. „Obenan steht immer die Schulpflicht. Deshalb finde ich es auch nicht gut, wenn Politiker die Streiks gutheißen.“ Prinzipiell begrüßt Sommer es aber, dass sich die Schüler für ihre Zukunft einsetzen. „Gegen die Sache an sich kann man natürlich nichts sagen“, sagt er, hinterfragt aber gleichzeitig auch, ob sich denn wirklich alle Schüler, die schwänzen, ums Klima sorgen. „Ich glaube, einige nutzen es auch einfach aus, um sich unterrichtsfrei zu organisieren.“

Ähnlich sieht es auch der Schulleiter von der Regelschule „Geschwister Scholl“ Heiko Müller. Da die Regelschule an diesem Freitag wie das Lindenberggymnasium einen variablen Ferientag hat und die Schüler dementsprechend freihaben, steht einer Beteiligung am Klimastreik in Erfurt von Seiten der Schule nichts im Wege. „Ich wurde neulich von einer Mutter gefragt, wie unsere Schule das mit den Schulstreiks handhabt. Ich gehe also davon aus, dass unsere Schüler von den Aktionen wissen. Ich finde, dass Klimaschutz ein wichtiges Thema ist, wir behandeln es auch im Unterricht. Doch es herrscht Schulpflicht und wer sich an den Streiks beteiligt und deshalb unentschuldigt fehlt, dem werden diese Fehltage auch auf dem Zeugnis eingetragen“, so der Schulleiter. Grundsätzlich begrüßt Heiko Müller es, dass sich die Schüler mit dem Klimaschutz auseinandersetzten, jedoch hält er die Klimastreiks für den falschen Weg.

Warum nicht Sonntag?

„Die Schüler könnten ja auch mal am Sonntag demonstrieren gehen, der ist schließlich Familientag. Und wenn sich alle Familienmitglieder an den Aktionen beteiligen, werden sie vielleicht noch wirksamer. Viele Schüler werden täglich von ihren Eltern mit einem riesigen Geländewagen zur Schule gebracht und wieder abgeholt, dass ist auch ein großes Umweltproblem. Unsere Schule nimmt in diesem Jahr wieder am Stadtradeln teil, vielleicht überlegen sich ein paar Jugendliche dann, dass sie dem Klima zuliebe in Zukunft mit dem Rad und nicht mehr mit dem Geländewagen herkommen wollen.“ Weiterhin bezweifelt Müller, dass alle sich am Streik beteiligenden Schüler wirklich nur aus Interesse am Klimaschutz auf die Straßen gehen. „Ich glaube, viele machen einfach nur mit, weil sie keine Lust auf Schule haben. Außerdem denke ich nicht, dass die Schüler den verpassten Stoff dann auch wirklich nachholen. Ich bin der Meinung, man sollte die einem gebotene Bildung in Anspruch nehmen.“

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