Hildburghausen/Arnstadt/Berlin – Der Landkreis Hildburghausen setzt sich mit zuletzt 386 wöchentlichen Fällen je 100.000 Einwohner auf Platz 1 der Corona-Hotspots in Deutschland. Allein am Sonntag wurden im Kreis Hildburghausen 65 Corona-Neuinfektionen gezählt, der höchste Wert der Woche. Damit überholt der Südthüringer Landkreis nach den jüngsten verfügbaren Gesundheitsamts-Daten alle bisherigen Top-Hotspots wie Offenbach, Kaufbeuren, den Erzgebirgskreis sowie den Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, die am Sonntag allesamt sinkende Inzidenzwerte vermeldeten. Da am Wochenende nicht alle Daten erfasst werden, kann sich die Rangliste schnell wieder ändern. Im benachbarten Kreis Sonneberg – Südthüringens Hotspot Nummer 2 – stabilisierte sich der Wert bei 201. Dort wurden wie schon zuvor in Hildburghausen alle Schulen und Kindergärten auf Warnstufe „gelb“ gestellt. Damit verbunden sind Einschränkungen in der Betreuung.
Im Ilm-Kreis sind mehr als 400 Schüler und Lehrer in Quarantäne geschickt worden. Allein am Gymnasium Am Lindenberg in Ilmenau sind laut Landratsamt 114 Corona-Kontaktpersonen betroffen. In Stadtilm und in Gräfenroda sind jeweils etwa 80 Schüler und Lehrer in Quarantäne. Weitere Fälle gibt es in Geschwenda und Arnstadt. In Jena ist ein christliches Gymnasium betroffen, es wurde nach der Infektion eines Pädagogen vorübergehend geschlossen.
Am Wochenende wurden in Thüringen gut 1100 neue Fälle beim Berliner Robert Koch-Institut registriert. Nach dem neuen Tageshöchstwert von 686 am Samstag kamen bis Sonntag weitere 415 Neuinfektionen hinzu. Die hohe Sonntagszahl ist umso bemerkenswerter, weil es an Sonntagen oft zu Meldeverzögerungen kommt. Auch die Zahl der Menschen in Thüringen, die wegen einer Covid-19-Erkrankung auf Intensivstationen von Krankenhäusern behandelt werden müssen, und der Toten im Zusammenhang mit einer Infektion stieg weiter an. Laut der für Intensivmediziner-Vereinigung DIVI wurden am Sonntag 96 an Covid-19 Erkrankte in Thüringen intensivmedizinisch behandelt, wobei 26 invasiv beatmet werden mussten. Seit Pandemiebeginn sind mehr als 300 Menschen, bei denen das Sars-CoV2-Virus festgestellt wurde, gestorben.
Angesichts der Entwicklung mahnten Thüringer Politiker eindringlich zur Einhaltung von Infektionsschutzregeln. «Wir sind noch nicht über den Berg. Bitte bleibt achtsam», twitterte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Samstag. Solange kein Impfstoff zur Verfügung stehe, sei die beste Variante, die Kontakte zu reduzieren und sich mit möglichst wenigen Menschen zu treffen, sagte Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) in einer Videobotschaft. Der CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende Mario Voigt twitterte: «Corona ist nicht vorbei und verzeiht keinen Leichtsinn.» Der Hildburghäuser Landrat Thomas Müller (CDU) wiederholte seine Forderung nach Schließung aller Schulen und Kitas. Ihn ärgere, dass die Landesregierung der Situation vor Ort keine Beachtung schenke, sagte er am Sonntag.
Am Mittwoch wollen sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut über die Corona-Lage und mögliche weitere Schutzvorkehrungen verständigen. Am Wochenende liefen dazu Vorabstimmungen. Der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller (SPD), hat eine Verlängerung des Teil-Lockdowns über Ende November hinaus in Aussicht gestellt. Eine entsprechende Forderung kam auch von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Aus der Thüringer Staatskanzlei hieß es am Sonntag zunächst, man wolle sich vorab nicht äußern.
Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte am Wochenende, „alles spricht dafür, dass die aktuellen Beschränkungen über den 30. November hinaus noch eine Zeit lang fortgesetzt werden müssen.“
Unklar bleibt die Situation an den Schulen. Einerseits wurde am Wochenende wieder über ein Verlängerung der Weihnachtsferien spekuliert; andererseits schlug Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU am Sonntag vor, dass beim Auftreten eines Infektionsfalls stets die betroffene Klasse in die häusliche Isolation geschickt wird. Bisher ist das nicht überall der Fall. „Nach negativen Schnelltests am fünften Tag könnten die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schule zurückkehren“, sagte Spahn. Ob das aus Sicht der Länder vor Ort umsetzbar sei, müsse man am Mittwoch besprechen