Goßmannsrod - Der 6. Mundartnachmittag am vergangenen Sonntag in der Alten Schule sollte ein besonderer werden. Doch die Überraschung, damit musste Rainer Güth vom Arbeitskreis Mundart ja wohl rechnen, hatte schon vorher die Runde gemacht, nicht nur bei Helmut, Wolfgang, Manfred oder dem Kurtchen, die sich auf ihren alten Spiel- und Schulkameraden freuten. Bernd Biedermann, 1942 in Goßmannsrod geboren und im Dörfchen aufgewachsen, stattete seinem Heimatort einen Besuch ab. Nach Studium an der Militärakademie, an der Hochschule für Luftverteidigung Minsk, Jahren in der Militäraufklärung der NVA, als Praktikant in Peking und Kursant in Moskau, als Militätattaché in Brüssel. Nicht ganz unumstritten, diese Militärkarriere, die nach einem kurzen Bundeswehrintermezzo nach der Wende endete. Doch Biedermann malt sich und anderen die einstigen Welten des kalten Krieges auch nicht schön. Glasklar und knallhart zieht er Resümee, gibt Einblicke in Alltag und Aufgaben eines hochrangigen NVA-Offiziers, setzt sich auseinander mit politischen Entscheidungen und den Tücken des diplomatischen Dienstes, nimmt das Leitbild der einstigen DDR-Staatsführung aus seiner Sicht unter die Lupe.

Nur in einer Hinsicht schwelgt er - nicht ganz so ausgiebig, wie er es sich selbst gewünscht hätte - in alten Erinnerungen und lässt sich die Friede-Freude-Eierkuchen-Welt seiner Kindheit und Jugend nicht nehmen. Er schwärmt vom wunderbaren Goßmannsröder Wasser, riecht und schmeckt noch heute die selbstgemachte Butter, die rohen Klöße, die frischgepflückten Blaubeeren, die Hausmacherwurst. Das, schwärmt er, ist Heimat, genau, wie die Erinnerungen an Kinderstreiche und daran, dass er bei der Schuleinführung als einziger seinen Namen noch nicht an die Tafel schreiben konnte, was der Mutter bittere Tränen über ihren kleinen dummen Jungen entlockte. Schreiben, hatte der Opa Anton aber immer gesagt, das lernt man in der Schule und bitte nicht schon vorher. Vom Opa Anton hat der kleine Bernd tausend Dinge des Lebens gelernt. Der Anton war der "Vatter" und eine anerkannte Familienautorität. Ja, zufrieden war man damals, viel, viel zufriedener als heute, wo die Geschäfte voll sind.

Und so will Bernd Biedermann Zeitzeuge sein, fühlt sich geradezu herausgefordert, sein Wissen und seine Erfahrungen aus jener Zeit weiterzugeben, ehrlich Rückblick zu halten, um ein Mosaiksteinchen dazu beizutragen, diesen geschichtlichen Abschnitt besser verstehen zu können. Weit entfernt von Verklärung, eher hin zur alten Mission der Aufklärung, schreibt er wider die vielerorts einseitigen Darstellungen.

Diesem Sohn Goßmannsrods sangen die zahlreich erschienenen Zuhörer natürlich die Goßmannsröder Hymne, geschrieben von Hans Pfeifer und unterstützt vom Gemischten Chor Schackendorf, der die musikalische Umrahmung des Mundartnachmittags übernommen hatte.

Apropos Mundartnachmittag. Bevor Bernd Biedermann zu Wort kam, wurde selbstredend diesem Motto gefrönt. Karl-Heinz Großmann, Vorsitzender des Arbeitskreises Mundart, Mundart- und neuerlich auch Krimiautor, und Mundart-Heimspieler und Goßmannsroder Ortschronist Rainer Güth lasen Geschichtle und Gedichtle. Ernstes und Heiteres wurde zum Besten gegeben, die Kochkunst der Mutter in den höchsten Tönen gelobt, der Feministinnenkram mit den Gästinnen und Mitgliederinnen gar vergnüglich auf die Schippe genommen, das gar traurige Schicksal von Stefan und Stefanie beschrieben: "Gras macht Spaß, Opium dumm, Extasy, das rafft´die hie", Mundart, die sich nicht nur verstaubten Rührseligkeiten alter Jahrhunderte widmet, sondern eben auch den Themen der Zeit.

Viel gelacht und nachgedacht wurde an diesem Nachmittag, ein wahrlich gelungener 6. Mundart-Nachmittag in anheimelnder Symbiose von damals und heute.