Amfortas, Wotan und Hans Sachs: Bassbariton Theo Adam hat alle Rollen seines Fachs auf dem berühmten Grünen Hügel in Bayreuth gesungen - den Helden Wotan in der "Ring"-Inszenierung von Wieland Wagner sogar über 13 Jahre. Für den Dresdner Kammersänger, der nun im Alter von 92 Jahren gestorben ist, war Hans Sachs die Glanzrolle unter weit mehr als 100 Partien. Erst mit 80 Jahren hatte sich Adam ins Private zurückgezogen, auch singen wollte er nicht mehr. Seine letzten Jahre verbrachte der Künstler, dessen markanter weißer Haarschopf früher im Kulturleben präsent war, im Pflegeheim.

Reaktionen

"Er war ein brillanter Künstler und ebenso großartiger Pädagoge, der vieles von seiner Begeisterung für den Gesang an die Studierenden weitergeben konnte", würdigte die amtierende Rektorin der Dresdner Musikhochschule, Rebekka Frömling, Theo Adam. Er sei mit seiner Kreativität und seinem Talent Vorbild für viele Studierende gewesen. Er habe den Sängernachwuchs als Professor unterrichtet und sich als Förderer für die Einrichtung engagiert.

Die Bundesrepublik verliere einen der wenigen deutsch-deutschen Weltstars der Opernbühne, erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Sein Wotan in Bayreuth habe Maßstäbe gesetzt. Herausragend sei er auch in seiner virtuosen Liedinterpretation gewesen.

An der Wiener Staatsoper, wo Adam mehr als 250 Mal auftrat, würdigte Direktor Dominique Meyer den Verstorbenen als einen "bedeutenden Interpreten des 20. Jahrhunderts". Er sei "ein seiner Heimatstadt stets verbundener kosmopolitischer Sängergigant" gewesen. Adam werde ein Fixstern am Opernhimmel bleiben.

Zwischen 1952 und 1980 sang Adam, dessen Sängerleben im Dresdner Kreuzchor begann, an der einstigen Wirkungsstätte von Komponist Richard Wagner (1813-1883) auch König Heinrich (Lohengrin), den Landgraf (Tannhäuser), Amfortas (Parsifal) und Fasolt (Rheingold). 1974 debütierte er in den "Meistersingern" am Nationaltheater München dann als Hans Sachs. "Meine schönste Zeit war eindeutig Bayreuth", sagte er zum 80. Geburtstag. Dank seiner Stimme gehörte er zu den DDR-Künstlern, die trotz Mauer auch im Westen Deutschlands auftreten durften.

Ungewöhnlich vielseitig

70 Jahre lang hat der Sohn eines Dekorationsmalers alles aus seiner Stimme herausgeholt und knapp 60 Jahre auf den Opernbühnen der Welt gestanden. Am 30. November 2006 beendete er seine Karriere dort, wo sie am ersten Weihnachtsfeiertag 1949 begann - mit dem Eremiten in Webers "Freischütz" in der Dresdner Semperoper (die als Staatsopern-Ensemble nach der Zerstörung der Semperoper an verschiedenen Orten in Dresden spielte).

Seine Zeit als Kruzianer bezeichnete er als persönliches Glück. Nach dem Krieg war er dann Lehrer und studierte nebenher Gesang beim früheren Heldentenor Rudolf Dittrich. Nach dem Dresdner Debüt sang er regelmäßig bei den Bayreuther Festspielen. Auch an der New Yorker Met und anderen berühmten Häusern wusste der Sachse, der später Opern in Berlin und Dresden inszenierte, sein Publikum zu begeistern - mit ungewöhnlicher Vielseitigkeit.

Der Umfang seiner Stimme erlaubte Aufgaben als dramatischer Bass- und Heldenbariton ebenso wie Modernes. So sang er die Titelrolle in Alban Bergs "Wozzeck" oder Doktor Schön in "Lulu", "Einstein" von Paul Dessau ebenso wie den Ochs in Richard Strauss‘ "Rosenkavalier". Der Baal in der Uraufführung der gleichnamigen Oper von Friedrich Cerhas bei den Salzburger Festspielen 1981 war seine 100. Rolle. Ihn gab er 1996 zum letzten Mal - mit 70.

Unter Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Karl Böhm, Herbert von Karajan und Franz Konwitschny entstanden zudem mehr als 100 Schallplatten mit Opernarien, Kantaten, Oratorien, Messen, Passionen und Liedern. Der Künstler aus Dresden moderierte ebenso im Fernsehen, machte als Schriftsteller auf sich aufmerksam und engagierte sich als Jurymitglied bei Musikwettbewerben. Dabei gab er dem Nachwuchs sein Credo mit: "Fleiß, Selbstkontrolle, Disziplin und vor allem mit den Füßen auf dem Boden bleiben."

Landschaft als Elixier

Dieser Maxime blieb Theo Adam, der sich bis ins hohe Alter mit Schwimmen fit und schlank hielt, selbst auch treu. "Ich kann sagen, dass ich immer sehr glücklich war" - so resümierte er zum 85. Geburtstag seinen beruflichen Erfolg und sein harmonisches Privatleben am noblen Elbhang in Dresden. Die Landschaft, die einst Künstler, Dichter und Gelehrte wie Friedrich Schiller, Richard Wagner, Christian Gottfried und Karl Theodor Körner inspirierte, war Teil seines Lebenselixiers: Gesund leben, nie rauchen und immer treu sein.