Allmählich, möchte man meinen, nähert sich das Morden mit Lokalkolorit der Grenze des Überdrusses an. Keine Fleckchen im ganzen Land, in dem nicht ein Verbrechen lauert, dessen Aufdeckung literarisch oder filmisch von irgendeinem kauzigen Ermittler vorangebracht wird. Doch weit gefehlt. Derzeit haben die Spürnasen nämlich verstärkt südlich des Rennsteigs zu tun. Kommissar Krause sucht einen Täter in Bad Salzungen, Kommissar Fest einen in Sonneberg und in Meiningen sucht Rechtsanwalt Fickel nach der Wahrheit.

Ein weißer Fleck auf der blutigen Landkarte der Republik war die Region schon länger nicht mehr. Für die kriminalliterarische Pionierarbeit zeichnet seit 2009 Karl-Heinz Großmann verantwortlich. Dessen Figur Fest ermittelt in Serie in der Heimatstadt des Schriftstellers und ihrer Umgebung. Auf das Debüt "Schieferbruch" folgten im Jahrestakt die Romane "Mistkäfer", dann "Rumpelkammer", "Abgestempelt" und 2013 der aktuelle "Stromstoß". Mit so viel Ortskenntnis können die beiden anderen Autoren nicht aufwarten. Allerdings verlebten auch sie eine kürzere Zeit in jenen Städten, die sie zu den Schauplätzen ihrer Geschichten auserkoren haben.

Ausflug ins Krimi-Genre

Anja Wondraschek lernte Bad Salzungen wie viele Fremde kennen, als Patientin während eines Reha-Aufenthaltes. Drei Wochen verbrachte die junge Autorin, die in Hessen aufgewachsen ist und heute im Spessart wohnt, in der Kurstadt. Und sie fand Gefallen an ihr, vor allem am zentral gelegenen Burgsee, der in seiner Wirkung auf die Besucherin noch vom Gradierwerk übertroffen wird. Als sie dort zum ersten Mal eintritt, ist die Handlung für ihr Buch sofort im Kopf. Ein magischer, ein faszinierender Ort sei es, beschreibt sie.

"Salz in deinem Kopf", das fulminant mit einem Schrei und Leichenfund in der salzvernebelten Salus-Kammer des Gradierwerkes beginnt, ist Anja Wondrascheks erster Ausflug in das Genre Regionalkrimi. Noch während ihrer Reha recherchiert sie im Gradierwerk und bei der Polizei, der Anfang ist geschrieben, bevor sie Bad Salzungen wieder verlässt. Für Hans-Henner Hess ist sein "Herrentag" der erste Roman überhaupt. Zuvor war der Berliner als Autor und Dramaturg für Fernsehformate tätig, schrieb Theaterstücke und Songtexte, verfasste Lang- und Kurzgeschichten. Meiningen, wo er den Mord an einer Richterin ansiedelt, lernte er als Gerichts-Referendar kennen.

Er geizt so wenig mit lokaler Färbung wie die anderen Autoren, neben dem Tatort Englischer Garten finden sich seine Leser in der Goetzhöhle, im Schlundhaus und im Henneberger Haus wieder. Nur ist sein Blick kein zärtlicher auf die vertraute Heimat, wie es jener von Karl-Heinz Großmann ist. Auch nicht der staunend entdeckende des Gastes, den Anja Wondraschek hat. Hess schlägt stattdessen den satirischen Ton an, der an Werner Schneyders arg indiskretes "Meiningen oder Die Liebe und das Theater" erinnert. Damit dürfte er noch am ehesten die Chance haben, ein Publikum ohne persönliche Verbundenheit zu Südthüringen anzusprechen. Was in jenem Genre schon eine Leistung ist.

Krimis aus der Region

Meiningen - Hans-Henner Hess: "Herrentag", Dumont Buchverlag, 384 Seiten, 9,99 Euro.

Bad Salzungen - Anja Wondraschek: "Salz in deinem Kopf", Wagner Verlag, 318 Seiten, 14,80 Euro.

Sonneberg - Karl-Heinz Großmann: "Stromstoß", Salier Verlag 296 Seiten, 15 Euro.