Ein Premierengast kam von weit her. Im Moment jedenfalls. Stephan Märki, der langjährige Weimarer Intendant, der von Thüringen zu einem Intendanten-Intermezzo nach Bern gewechselt war, wird ab kommender Spielzeit die Leitung des Staatstheaters Cottbus übernehmen! Auch Patric Seibert, der sich in den letzten Jahren u.a. in Meiningen und in Frank Castorfs Bayreuther Nibelungen-Ring einen Namen gemacht hat, wird zu seinem Team gehören. Das Haus selbst ist ein Jugendstil-Prachtstück der Extraklasse. Immer noch ein funktionierendes Mehrspartenhaus in Brandenburg.

Zum 200. Geburtstag des großen Sohnes des Landes gab das Haus eine Effi Briest Oper bei Siegfried Matthus (85) in Auftrag, die jetzt uraufgeführt wurde. Komponisten-Sohn Frank hat das Libretto geschrieben. Alexander Merzyn am Pult des Philharmonischen Orchesters und Regisseur Jakob Peters-Messer haben die Novität mit allem, was Cottbus aufbieten kann, in Szene gesetzt.

Ein idealer Stern

Matthus (der in Gera-Altenburg 2007 mit seiner Oper "Cosima" erfolgreich war) verlässt sich ohne jeden Verstörungs-Ehrgeiz auf die Prominenz der Vorlage und auf sein eigenes Handwerk. Das ermöglicht ihm immer noch ein geschmeidiges Parlando oder wie selbstverständlich wogende Melodien. Mit einem Quartett, bei dem man jedes Wort versteht und einem ausführlichen Liebesduett Effi und Crampas. Da Martin Shalita den Crampas wegen Indisposition nur spielen konnte (der Ersatz von der Seite vokal leider heillos überfordert war), blieb der mögliche vokal schwelgerische Höhepunkt der Effi vorbehalten. Liudmilla Lokaichuk war ohnehin der idealtypische Stern, der die gesamte Produktion leuchten ließ. Musikalisch bleibt Matthus mit dem Selbstbewusstsein eines Routiniers ganz bei sich und schert sich nicht um das, was man heute im Allgemeinen an Irritation oder auch Verstörung mit Neuer Musik verbindet.

Andreas Jäpel ist ein sonorer Innstetten, den weder der Komponist noch die Regie als Figur bloßstellt. Schwach dagegen bleibt Crampas. Zwischen Konvention und ständischem Selbstbewusstsein lavierend sind der alte Briest (Ulrich Schneider) und seine resolute Gattin (Debra Stanly) Effi-Eltern wie aus dem Bilderbuch.

Genauso setzt sie der Regisseur zum Auftakt und am Ende auch an das Grab der Tochter. Mit einer Projektion der leer schwingenden Schaukel auf dem Zwischenvorhang davor. Und mit der in den allgemeinen Wortschatz übergegangenen Redensart des alten Briest vom sprichwörtlichen (zu) weiten Feld. Was sich dann entspinnt ist eine schnell und handwerklich perfekt geschnittene Folge von 46 Szenen (13 davon als instrumentale Zwischenspiele) mit schnörkellosem und durchweg wortverständlichem Parlando.

Die Bühne von Guido Petzold wird von einem Mauer-Halbrund beherrscht. Außen: Theodor Fontane Zitate in Stein gemeißelt. Diese Hervorhebung der Worte steht (unfreiwillig) auch dafür, dass das Libretto die Schwachstelle des Abends ist. Nicht nur, wenn der Komponisten-Sohn selbst fröhlich drauflos reimt. Auf dem Weg vom Roman in die Opernvorlage ist einiges verdampft, an feinem Humor, subtiler Doppelbödigkeit. Und damit auch an dem gewissen Quantum Zeitlosigkeit, den die Geschichte ja doch immer noch hat. Auch wenn eine Affäre wie sie Effi mit Crampas hatte, heute höchstens im parallelgesellschaftlichen Ausnahmefall tödlich enden und die Eltern ihre Tochter so lange verstoßen würden, bis es zu spät ist. Damals war das die Norm beim preußischen Adel, wo ein kolportiertes "Bismarck schätzt ihn" einem Orden gleichkam.

Die schwarze Innenseite der Wand aus (Fontane-Sätzen) ist der Hintergrund für artifizielle Szenen mit realistischen Versatzstücken. Für die Hochzeitsreise nach Venedig reicht ein reichliches Dutzend stumm erstarrter Gondoliere und ein musikalisches Santa Lucia Zitat. Die Stärke von Peters-Messers Inszenierung liegt in einer Präzision, die neben dem Libretto und der Musik auch selbst noch mal bei Fontane nachschlägt.

Viel Ehrfurcht im Spiel

Siegfried Matthus hat mit seiner "Effi Briest" aus einem weiten Feld einen übersichtlichen Garten gemacht. Mit gut bekannter heimischer Bepflanzung. Die(Text-)Wege mittendurch sind da etwas allzu grade geraten. Ein Geburtstagspräsent, bei dem so viel Ehrfurcht im Spiel war, dass der Geehrte möglicherweise ein gewisses Quantum Mumpitz eingefordert hätte.

Nächste Vorstellungen: 24/31. Oktober, im November und Dezember, www.staatstheater-cottbus.de