Für die Lübecker Buchhändlerin Sophie Weigand liegt ein Autor völlig daneben, wenn er eine geschwollene Nase mit "Farbe und Form einer prallen Peniseichel" vergleicht. Dagegen glaubt ihr Hamburger Kollege Gerard Otremba, dass dies zwar komisch klingt, dennoch aber den Jargon der Hooligan-Szene gut trifft. Beim Streit der beiden geht es um die Sprache in "Hool". Der Debütroman des erst 30-jährigen Philipp Winkler über die schlagkräftigen Hardcore-Fans von Hannover 96 hat es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Vor der Preisverleihung am Montag in Frankfurt/Main wird in einschlägigen Foren heftig über die sechs Titel in der Endausscheidung debattiert.

Wer den besten deutschsprachigen Roman des Jahres geschrieben hat, ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Wer die besten Chancen hat, lässt sich in der Regel aber ganz gut an den Preisträgern des vergangenen Jahrzehnts ablesen. Es geht dabei nicht nur um gute Literatur. Fast immer sind Bücher ausgezeichnet worden, die mit der Verarbeitung von (Zeit-)Geschichte den Blick aufs Ganze öffnen. Das gilt für Uwe Tellkamps Dresden-Epos "Der Turm", Eugen Ruges DDR-Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts", Ursula Krechels "Landgericht" oder Lutz Seilers Hiddensee-Saga "Kruso". Der letztjährige Preisträger Frank Witzel macht da keine Ausnahme. Er hat in "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" den Muff der westdeutschen Nachkriegsprovinz verarbeitet.

Dieses Jahr scheint eine Prognose zu den Favoriten aber nicht einfach. Denn die Jury hat zwei Bücher auf die Liste gesetzt, die streng genommen dort gar nicht auftauchen dürften. So hat Thomas Melle mit seinem Buch "Die Welt im Rücken" keinen Roman, sondern eher eine Art Autobiografie geschrieben. Thema ist seine bipolare Störung. Das Buch ist eine Chronik seiner manisch-depressiven Schübe. Harte Kost also. Dennoch sind die Kritiker von dem Buch fast alle regelrecht begeistert.

Auch der 68-jährige Routinier Bodo Kirchhoff hat sein neues Buch "Widerfahrnis" ausdrücklich nicht als Roman, sondern als Novelle charakterisiert, eine längere Erzählung. Der Autor lässt in seiner kleinen Road Novel einen Ruheständler mit der neuen Liebe in den italienischen Süden reisen, wo er mit der Flüchtlingsrealität konfrontiert wird. An der manchmal gespreizten Erzählweise Kirchhoffs scheiden sich oft die Geister. Mit seinem schlanken Buch hat er aber nicht nur in der Buchpreis-Jury Freunde gefunden, wie die Kritiken in den Feuilletons beweisen.

Eigentlich ist auch die Österreicherin Eva Schmidt mit ihrem Buch "Ein langes Jahr" - ihr erstes seit fast zwei Jahrzehnten - auf der Liste leicht fehl am Platz. Sie hat aus 38 Einzelgeschichten einen Episodenroman über das (klein-)städtische Leben gemacht. Ein ruhiges Buch wie auch der Roman des zweiten Österreichers. Reinhard Kaiser-Mühlecker widmet sich in "Fremde Seele, dunkler Wald" im Erzählstil des 19. Jahrhunderts einer Familientragödie auf einem Bauernhof.

Beide Bücher dürften nur Außenseiterchancen haben. Bleibt noch André Kubiczek mit "Skizze eines Sommers". Leichtfüßig beschreibt er darin, wie ein 16-Jähriger die Freuden des Heranwachsens in Potsdam vor der Wende erlebt. Ein Buch, das Buchhändler bestimmt gerne mögen, weil es einen großen Leserkreis garantiert. Doch zu viel Lockerheit ist bei Buchpreisen in Deutschland immer auch ein Manko.