Tatort: "Stau" - am Sonntag, 20.15 Uhr, im Ersten gesehen

Schon Edgar Allen Poe nutzte, um Spannung zu erzeugen, die Technik des verschlossenen Raums mit einer begrenzten Anzahl Verdächtiger. Krimiautorin Agatha Christie ließ über den Wolken oder auf abgeschotteten Inseln morden. Für den Täter gab es kein Entkommen, die Ermittlungen standen unter Zeitdruck. Im Tatort aus Stuttgart überfährt ein Unbekannter ein Kind, flüchtet und landet im Feierabendstau der Großstadt. Er steckt fest, kann nicht vor, nicht zurück.

Durchs "Läba hetza", immer am "Schaffa", immer in Eile. Und dann mit Vollgas im Stau. So geht das in Stuttgart. Das schwäbische "Subber-Team" nutzt die Chance, die die verstopfte Verkehrsader für kurze Zeit bietet, um rasch den Täter zu fassen. Die Weinsteige, in Realität eine Location, die herrliche Blicke auf die Stadt eröffnet, ist im Film eine Studiokulisse, die in einer riesigen Freiburger Messehalle täuschend echt nachgebaut wurde. Der nächtliche Ausblick ist in Wahrheit eine gigantische Bluebox. Toll gemacht!

Während sich Kommissar Bootz (Felix Klare) am Tatort bemüht, aus dem dreijährigen Augenzeugen Infos herauszukitzeln, stellen Lannert (Richy Müller) und die Kollegen von der Schutzpolizei eine eingeschränkte Anzahl der in der Blechlawine festsitzenden Fahrer unter Anfangsverdacht und suchen nach konkreten Spuren. Jeder von ihnen könnte es gewesen sein. Autor und Regisseur Dietrich Brüggemann entwickelt das traditionelle Krimimotiv des geschlossenen Raums weiter und setzt es gewaltfrei und originell um. Er nimmt nicht nur die Tücken des Autofahrens aufs Korn, klemmende Gurte, entfesselte Beifahrer, Rücksitz-Terror, sondern eröffnet auch einen Reigen kleiner Episoden zwischen witzig, erschreckend und traurig: ein sich zerfleischendes Ehepaar, ein Mieter vor dem Rauswurf, ein gemein ausgenutzter Angestellter: Die Figuren kiffen, saufen, streiten, maulen oder telefonieren in der Endlosschleife. Geschäftsleute, Flachpfeifen, Wutbürger, knapp und treffend skizziert, musikalisch durch passende Songs aus dem Radio charakterisiert. Eine breite Palette Stadtneurotiker, durchaus geeignet, auch sich selbst wiederzufinden.

Feine Ironie, Humor, Tragik, Dialekt zum Schmunzeln, Momente zum Nachdenken, überraschende Wendungen und eine Auflösung in letzter Sekunde. "Stau" hat, was der Krimi am Sonntagabend haben soll: sich zuspitzende Spannung, sozialkritische Töne, die nicht mit dem Hammer eingestampft werden, gute Unterhaltung. Letztere vor allem, weil man entspannt bei Kräckern auf dem Sofa sitzt und nicht gestresst bei im Stau steht.