Es ist eine hübsche Pointe des Literaturbetriebes, dass ausgerechnet die französische Erfolgsautorin Yasmina Reza ihre Stücke an deutschsprachigen Bühnen uraufführen lässt. Den mittlerweile verfilmten "Gott des Gemetzels" brachte Jürgen Gosch in Zürich heraus, bei "Drei Mal Leben" war 2000 Luc Bondy in Wien der Regisseur. Mit "Ihre Version des Spiels" ist wieder das Deutsche Theater in Berlin dran.

Dass sich Yasmina Reza wieder Corinna Harfouch für die Alter Ego-Rolle der Schriftstellerin Nathalie Oppenheim und Stephan Kimmig als Regisseur gewünscht hat, ist gut nachvollziehbar. Ebenso, dass die Theater und das Publikum diese Stücke mögen. Es gibt eben nicht nur Konstrukte oder selbstreferenzielle Textflächen, sondern erkennbare Menschen in nachvollziehbaren Situationen. Und geschliffene Dialoge, die Spaß machen und einen doppelten Boden haben. Rezas Mischung aus flottem Boulevard und Blick in die Abgründe der Seele, lässt daher ein schlechtes Gewissen wegen "zu guter" Unterhaltung gar nicht erst aufkommen.

In ihrem neuen Text balanciert Rezas Heldin als Autorin am Rande einer Selbsterkenntnis, von der offenbar ihre Bücher leben, die sie selbst aber erschreckt.

Bei einer Lesung in der Provinz, als deren Publikum wir auf die Bühne der Kammerspiele gebeten werden, stellt die Autorin ihren neuen Roman "Das Land des Überdrusses" vor. Er handelt von einem Mordkomplott gegen die Geliebte des Mannes, aber auch davon, wie dessen Heldin mit ihrem gerade erschienen Buch "Ihre Version des Spiels" zurechtkommt. Und mit den Männern, dem Leben und ihrer Arbeit als Autorin. Oder eben auch nicht. Und weil die penetrante Journalistin Rosanne mit investigativem Eifer auf selbst entblößende Antworten hinarbeitet und immer wieder den autobiografischen Lebensspuren in den erfundenen Figuren nachjagt, platzt der befragten Autorin irgendwann der Kragen.

Geglückter Balanceakt

Was in den kurzweiligen Eindreiviertel-Stunden der Spielraum für den Regisseur ist, ist sie in eine Haltung zwischen Verunsicherung, störrischer Verweigerung und wackligem Selbstbewusstsein mit authentischem Staunen, beim Lesen, Schweigen, Streiten oder auch mal Rausrennen zu treiben. Corinna Harfouch ist für diesen Balanceakt genau die Richtige, ob nun bei ihrem ausbrechenden Abscheu gegenüber der indiskreten Penetranz und Eitelkeit von Rosanna oder in ihrer unverhohlenen Sympathie zu dem literaturbeflissenen jungen Mann Roland Boulanger, den Alexander Khuon mit virtuoser Aufgeregtheit spielt.

Wenn nach der Lesung dann auch noch der aufgeblasene und marketingbewusste Bürgermeister auftaucht, dann dreht die Szene in eine Art surreale backstage-Katerstimmung ab, bei der sie alle Gilbert Bécauds Nathalie singen.

Schon der Titel "Ihre Version des Spiels" lässt das autobiographische Potenzial, das der ganze Text hat, natürlich durchscheinen. Dass die Freude über das mehrfache Verpacken und Verschachteln, das Nathalie einmal bekennt, auch das der Autorin Reza ist, liegt auf der Hand. Dass sie, indem sie sagt, hier sind meine Texte und das war's, die Kunst des beredten Schweigens, oder eben des Bekennens mit einem Rest Geheimnis übt, auch.

Sie macht das virtuos wie immer. In einem Kammerspiel, das diesmal zwar nicht gleich aufs Leben im Allgemeinen zielt, sondern auf sie selbst, die Literatur, also doch das Leben? Immerhin würde man am Ende gerne sowohl die Romane "Das Land des Vergessens" als auch "Ihre Version des Spiels" lesen. Was man in Berlin bekommt, ist vor allem Corinna Harfouch. Was allemal zwei nicht geschriebene Romane ersetzt.

Weitere Vorstellungen am 10./12./24. November im Deutschen Theater Berlin. Karten 0 30 / 28 44 12 25.